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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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und ein tiefschmerzlich fragendes Lächeln lag auf den Lippen. Lorle stand da mit zitterndem Athem; sie wand das festangezogene Schürzenband um einen Finger, daß es tief einschnitt; dieser körperliche Schmerz that ihr wohl, er verdrängte einen Augenblick den seelischen. Reinhard gebot in barschem Tone seinem Freunde, mit dem »einfältigen Lachen« endlich aufzuhören. So sehr sich nun auch der Collaborator entschuldigte und sich Mühe gab, Lorle zu erklären was er gemeint habe, das Mädchen räumte schnell ab und blieb verstimmt, so verstimmt wie das Klavier, das der Collaborator alsdann in seiner Stube probirte.
    Das war eine grausam zerstörte Harmonie, fast keine Saite hatte mehr den entsprechenden Klang, da mußten viele Menschen darauf losgetrommelt haben. »Ja,« dachte der Collaborator, »wenn ein Wesen einmal zur Mißstimmung gebracht ist, dann arbeitet Jedes zum Scherze oder muthwillig darauf los, es noch mehr und vollends zu verstimmen, und haben sie's vollbracht, dann lassen sie es vergessen im Winkel stehen.« Der Collaborator sah darin nur ein Bild seines Lebens, er dachte nur an sich. – Von den vielen Wanderungen und Empfindungen ermüdet, verschlief er dann richtig die Mittagskirche, zu seinem und vielleicht auch zu unserm Frommen. Wer weiß, ob das Waldheiligthum vom Morgen ungestört geblieben wäre.
    Als Lorle aus der Mittagskirche kam, ging sie mit ihrem Bruder rasch nach der Hohlmühle. Der Vater, das wußte sie, war nicht so bald loszueisen, er versprach mit der Mutter nachzukommen. Freilich hatte sich's Lorle heute Morgen schön ausgedacht, wenn auch die Fremden mitgingen. Es lief auch ein Bißchen Stolz mit unter. Das war aber nun Alles vorbei. Nach vielem Drängen folgte das alte Ehepaar mit den Freunden zwei Stunden später. Der Collaborator war wieder ganz aufgeräumt.
    »Ihre Uhren hier gehen falsch,« bemerkte er dem Wirthe, »ich habe die meinige nach dem Meridian auf der Bibliothek gestellt. Sie könnten sich hier auch eine Sonnenuhr einrichten, etwa an der neuen Kirche, die jetzt gebaut wird;
à propos,
warum bauen Sie die neue Kirche nicht mehr drüben auf dem Hügel, das war ja so schön, daß man sich erhebt, wenn man zur Kirche geht?«
    »Ja, wir wollen jetzt die Kirch' bei der Hand haben, zu allen Gelegenheiten wo man's braucht.«
    »Da habt ihr auch Recht, die Religion und die Kirche sollen nicht mehr oberhalb, fern von dem Leben stehen, sondern mitten unter demselben. Ach, da blüht schon vorzeitig die
Genziana cruciata,
« unterbrach sich der Collaborator und sprang über den Weggraben nach der Blume.
    Der Wadeleswirth schaute ihm lächelnd nach und sagte zu Reinhard: »Das ist ein sonderbarer Mensch! Hat man nicht gemeint, er will mit aller Gewalt die Kirch' wieder auf den Berg setzen, und wenn man's ihm anders auslegt, gleich ist es ihm auch Recht; bei dem ist's wie bei dem Verwalter auf der Saline drunten, der hat einen Schlafrock, den man auf all beiden Seiten anziehen kann. Grausam gelehrt muß er aber sein; was hat er denn eigentlich g'studirt?«
    »Zuerst geistlich und dann viele Sprachen; jetzt ist er auf dem Bücherkasten angestellt, und da hat er von Allem was wegkriegt. Er hat im Ganzen wohl feste Meinungen, und grundbrav ist er, das könnet Ihr mir glauben.«
    »Ja, ja, glaub's schon.«
    Der Collaborator war wieder herbeigekommen. Er konnte sich nicht enthalten, auf jedem Schritte Reinhard auf die Schönheiten des Weges aufmerksam zu machen; da war eine Baumgruppe, eine Durchsicht, ein knorriger Ast, Alles rief er an »und sieh,« sagte er wieder, »wie das Sonnenlicht so herrlich in Tropfen durch die Zweige und von den Blättern rinnt!«
    »Laß doch dein ewiges Erklären!« fuhr Reinhard auf; der Collaborator ging still, um sich wieder eine Blume zu holen und zerschnitt sie mit dem Federmesser.
    »Ihr müsset ihn nicht so anfahren,« sagte der Wadeleswirth, »das ist ja ein glücklicher Mensch; wo ein Anderes gar nichts mehr hat, hat der noch überall Freude genug, an der Sonn', an einer Blum', an einem Käfer, an Allem.« –
    Man war endlich am Mühlgrunde angekommen: dort wandelten zwei Mädchen durch die Thalwiese Hand in Hand und sangen. »Lorle!« rief die Mutter, das Echo hallte es wieder, Vroni blieb stehen und Lorle sprang den Kommenden entgegen. Der Wadeleswirth stand da, weitspurig und die Hände in die Seiten gestemmt, er nickte nur einmal scharf mit dem Kopfe und hier sprach sich sein ganzer Vaterstolz aus: Zeiget mir noch so ein Mädle landaus

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