Schwarzwaelder Dorfgeschichten
doch gewußt, daß Ihr am Sonntag bei uns seid? Nun – schad't jetzt nichts. Ich will Euch den Martin schicken, er soll Euch ein bisle aufputzen.«
Jubelnd sprang der Collaborator die Treppe hinauf und holte eine Sammlung Volkslieder – (die er zu etwaigen Ergänzungen und Varianten mitgenommen hatte – aus seinem Ränzchen; er warf das Buch an die Zimmerdecke in die Höhe und fing es wieder auf. »Hier,« rief er, das Buch hätschelnd, als wäre es etwas Lebendiges, »hier seid ihr zu Hause, nicht in der Bibliothek eingepfercht; heut sollt ihr wieder lebendig werden.«
Beim Essen herrschte die alte Gewohnheit nicht mehr, für Reinhard und seinen Freund war in dem Verschlag besonders gedeckt. Reinhard sagte dem Wirth, daß er wie ehedem am Familientisch essen wolle. Der Alte aber schüttelte den Kopf ohne ein Wort zu erwidern, nahm die weiße Zipfelmütze ab und hielt sie zwischen den gefalteten Händen auf der Brust, damit das Gebet beginne.
»Bärbel, traget nur die zwei Gedecke heraus, wir essen nicht allein,« rief Reinhard. Der Wadeleswirt setzte schnell die Mütze wieder auf, schaute, ohne eine Miene zu verziehen, rechts und links und sagte:
»Nur stet.« 1 Er machte dann eine ziemliche Pause, wie jedesmal, wenn er dieses Wort sagte, das als Mahnung galt, daß Keiner mucksen dürfe bis er weiter redete; endlich und endlich setzte er hinzu:
»Drin bleibt's. Es ist kein Platz da für zwei.« Er hob die Arme bedachtsam auf, strich die Hände wagrecht über die Luft, wie den Streichbengel über ein Kornmaß, was so viel hieß als: abgemacht.
Die Freunde setzten sich in den Verschlag, Lorle trug ihnen auf.
»Kann denn das die Bärbel nicht?« fragte Reinhard, und der Collaborator ergänzte: »Ihr solltet uns nicht bedienen.«
»O du liebs Herrgöttle,« beschwichtigte Lorle, »was machen die für ein Gescheuch von dem Auftragen. Ich thu's ja gern, und wenn Ihr einmal eine liebe Frau habt, Herr Reihenmaier, und ich komm' zu Euch und ihr gunnet mir ein warm Süpple, da soll mich Euer Weible auch bedienen.«
»Woher wisset Ihr denn, daß ich heirathen möcht'?«
»Da kann man mit der Pelzkappe darnach werfen, so groß steht's Euch auf der Stirn geschrieben: ich glaub', daß eine Frau mit Euch rechtschaffen glücklich wird.«
»Woher wisset Ihr denn das?«
»Ihr seid so ordelich mit der Handzwehle 2 umgangen.«
Alles lachte, und draußen am Tische sagte der Vater: »Es ist ein Blitzmädle, und es hat sonst in einem Jahr nicht so viel geschwätzt, wie jetzt seit gestern.«
»Ja,« sagte die Mutter, nachdem sie mit besonderer Zufriedenheit einen Löffel Suppe verschluckt, jetzt mit dem Löffel auf den ihres Mannes klopfend, »du wirst's noch einsehen, was das für ein Mädle ist; das ist so gescheit wie der Tag.«
»Das hat es von dir und von unserm Vorroß, von der Bärbel da,« schloß der Wadeleswirth, den Schlag zurückgebend.
Die beiden Freunde unterhielten sich vortrefflich mit Lorle, das immer ein Auge auf jegliches Erforderniß hatte, seltsamerweise aber Alles mit der linken Hand anfaßte; der Collaborator sah sie mehrmals scharf darob an und Lorle sagte:
»Nicht wahr, es ist nicht in der Ordnung, daß ich so links bin? Ich hab' mir's schon abgewöhnen wollen, aber ich vergess' es immer.«
Schnell nahm Reinhard das Wort: »Das schadet nichts!« Leiser, daß man es in der Stube draußen nicht hören konnte, setzte er hinzu: »Ihr machet Alles prächtig. Wer kann's beweisen, daß die rechte Hand die geschicktere ist? Eure Linke ist flinker als manche Rechte, und mir gefällt's so ganz wohl.«
Bei diesen Worten richtete sich Lorle grad auf, eine eigentümliche Majestät lag in ihrem Blicke.
»Sind keine Musikanten im Dorf?« fragte der Collaborator.
»Freilich, sie sind alle bei einander.«
»Die sollten uns heut' Abend einige Tänze spielen, ich bezahle gern ein Billiges.«
»Ja, das geht nicht, der Schultheiß ist heut verreist und es ist vom Amt streng verboten, ohne polizeiliche Erlaubniß Musik zu halten; in Eurer Stub' droben hängt die Verordnung.«
»O Romantik! Wo bist du?« sagte der Collaborator und Lorle erwiderte: »Das haben wir hier nicht, aber ein Clavier steht droben, das darf man –«
Die beiden Freunde brachen in schallendes Gelächter aus, so daß sie sich kaum auf ihren Sitzen halten konnten. Reinhard faßte sich zuerst wieder, denn er sah, wie es plötzlich durch das so friedliche Antlitz des Mädchens zuckte und zitterte, Pulse klopften sichtbar in den Augenlidern
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