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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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und er ist doch so gelehrt.«
    Stephan war auf der Mühle geblieben, Lorle ging neben der Mutter, der Collaborator begleitete sie und sagte einmal: »Da kann man nun Vergangenheit und Zukunft sehen, so wie das Lorle müsset Ihr einmal ausgesehen haben, Frau Wirthin, und das Lorle wird auch einmal so eine nette alte Frau, wie Ihr.«
    Die Wirthin schmunzelte, es war ihr aber doch unbehaglich, so von sich sprechen zu hören; denn wenn die Bauern auch noch so gern ein Langes und Breites selber von sich reden, ist es ihnen doch unlieb, wenn ein Anderer sie in ihrem Beisein schildert oder gar kritisirt.
    Unser gelehrter Freund aber begann wieder: »Saget doch, woher kommt's, daß man so selten schöne ältere Leute auf dem Dorfe sieht, besonders wenig schöne ältere Frauen?«
    »Ja gucket, die meisten Leut' haben ein kleines Hauswesen und können keinen Dienstboten halten und da muß oft so eine Frau schon am vierten, fünften Tag, nachdem sie geboren hat, an den Waschzuber stehen oder auf's Feld. Wenn man sich nicht pflegen und warten kann, wird man vor der Zeit alt.«
    »Ihr solltet einen Verein zur Wartung der Wöchnerinnen stiften.«
    »Ja wie denn?«
    Der Collaborator erklärte nun die Einrichtung eines solchen Vereins, die Wirthin aber machte viele Einwendungen, besonders, daß manche Frauen sich ungern von Nichtverwandten in ihre unordentliche Haushaltung hineinsehen lassen; endlich aber stimmte sie doch bei und sagte: »Ihr seid ein recht liebreicher Mensch,« und Lorle bemerkte: »Aber die Mädle können auch bei dem Verein sein?«
    »Gewiß, der Verein verpflichtet sich, jede Wöchnerin mindestens vierzehn Tage zu pflegen.«
    Es war Dämmerung als man im Dorfe anlangte, Reinhard schloß sich einem Trupp Burschen an und zog mit ihnen singend durch das Dorf. Als es längst Nacht geworden war, kam er heim, sprang schnell die Treppe hinauf und wieder hinab. Der Collaborator saß auf seiner Stube und notirte sich einige der heute vernommenen Sagen; als er aber von der Straße herauf Zitherklang hörte, ging er hinab.
    Unter der Linde saß Reinhard, die Zither auf dem Schooße, die ganze Männerschaft des Dorfes war um ihn versammelt. Er spielte nun zuerst eine sanfte Weisung, er wußte das liebliche Instrument so zart zu behandeln, daß es, bald schmelzend, bald jubelnd, alle Gemüthsregungen verkündete. Die Zuhörer standen still und lauschend, es gefiel ihnen gar wohl und doch, als er jetzt geendet, fürchteten sie, er möchte immer blos spielen. Martin sprach daher das allgemeine Verlangen aus, indem er rief: »Ihr könnet doch auch singen, gebt was los.«
    »Ja, ja,« stimmten Alle ein, »singet, singet.«
    Reinhard gab nun viele kurze Lieder preis, die er auf seinen Wanderungen aufgehascht hatte; hell klang seine Stimme hinein in die stille Nacht und die Jodeltöne sprangen wie Leuchtkugeln hinauf zum Sternenhimmel und stürzten sich wieder herab.
    Lorle, die sich eben hatte zu Bett legen wollen, schaute zum Fenster heraus und horchte hinab; die Worte mit den Lippen sprechend, aber nicht der Luft anvertrauend, sagte sie:
    »Es ist doch ein prächtiger Mensch, so gibt's doch gewiß Keinen mehr auf der ganzen Welt.«
    Nun sang Reinhard das Lied:
     
    Und wann's emol schön aber 3 wird,
    Und auf der Alm schön grüen,
    Die Böckle mit de Geisle führt,
    Die Sendrin mit de Küehn;
    Die Wälder werden grün von Laub,
    Die Wiesen grün von Gras,
    Und wann i an mein' Sendrin denk,
    No g'freut mi halt der G'spaß.
     
    Der Collaborator kannte das Lied und begleitete es im Grundbaß, Lorle oben machte aber bei den nachfolgenden Versen das Fensterchen zu und legte sich still zu Bett. Gegen das Ende des äußerst naiven Stelldichein, welches im Liede besungen wurde, konnten schon fast alle Burschen mitsingen; der eilfte und letzte Vers wurde unter hellem Lachen noch einmal wiederholt:
     
    Der Bue der sait, heut kann's nit sein,
    Heut hab i goar koan Freud,
    Wann i das nächstmal wieder kumm,
    Heut hab i goar koan Schneid.
    Er thut en frischen Juchzer drauf,
    Das hallt im ganzen Wald;
    Die Sendrin hat ihm nachig'weint,
    So lang sie hört den Schall.
     
    »Und das Lied hat eine Sennerin gemacht!« schrie der Collaborator in vollem Entzücken.
    »Ihrem Herzliebsten zur guten Nacht, gut Nacht,« schloß Reinhard und ging in das Haus. Die Burschen sangen das neue Lied noch weit hinein durch das Dorf und lachten unbändig.
    »Das war ein genußvoller Tag,« sagte der Collaborator auf der Stube zu seinem Freunde. »Wie schön

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