Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Ueberfröhlichen, der schon auf dem Stuhle halb eingeschlafen war, endlich zu Bette bringen.
Es war schon spät, als auch Brönner sich zum Fortgehen anschickte; Vefele leuchtete ihm hinab, sie waren beide hocherregt und küßten sich heftig. Auf sein Bitten und Betteln sagte nun Vefele ganz laut: »gut Nacht«; Brönner that desgleichen, er nahm den Hausschlüssel, schloß die Thür auf, schlug sie heftig zu und verschloß wieder. Aber er war nicht hinausgegangen, sondern er schlich sich hinauf in das Kämmerlein Vefele's. Niemand im Hause merkte etwas davon, nur das Mohrle, das im Hofe angebunden war, bellte unaufhörlich die ganze Nacht, wie wenn ein Dieb in's Haus gedrungen wäre.
In derselben Nacht theilte sich der Engel des Lebens und der Engel des Todes in die Herrschaft des einen Hauses; am andern Morgen fand man den Schloßbauer, vom Schlage gerührt, todt in seinem Bette.
Niemand ahnte, warum das Vefele bei der Leiche des Vaters wie wahnsinnig raste und sich gar nicht wollte beruhigen lassen; es war sonst immer so verständig und besonnen, und jetzt wollte es gar keine Vernunft annehmen.
Das Schloßgut wurde nun wieder von einem Baron angekauft, und die Bauern bezahlten nach wie vor ohne Widerrede die alten Herrenabgaben.
3.
Vefele zog nun zu seinem Bruder Melchior nach Ergenzingen; nichts war ihm aus dem Dorfe gefolgt als das Mohrle. Die Schwester Agathle starb bald nach dem Tode des Vaters, und die Leute munkelten, Vefele werde nun ihren Schwager heirathen; das konnte aber nie und nimmer geschehen. Brönner kam jede Woche mehrmals nach Ergenzingen; er mußte irgendwo Geld aufgetrieben haben, denn er war überaus prächtig gekleidet, auch benahm er sich gegen Vefele und die andern ganz sicher, ja fast vornehm. Er gab zu verstehen, daß man ihn künftighin »Herr Doktor« heißen solle. Vefele mußte nicht, was das sein sollte, es ließ sich aber Alles gefallen, denn es hatte ihm seinen Stand eröffnet. –
Im Hause Melchiors war ein Knecht, Wendel mit Namen, ein baumstarker und arbeitsamer Bursch; der theilte gleiche Freundschaft und Feindschaft mit dem Mohrle; er liebte den Hund, weil er gleich ihm den Brönner haßte, und er liebte ihn doppelt, weil er ebenfalls dem Vefele so gut war. Brönner hatte einmal per »Er« mit dem Wendel gesprochen, und dieser, der schon lang gern einen Grund gehabt hätte, um Brönner zu hassen, faßte von da an eine Todfeindschaft auf den »Bartkratzer«. Dennoch aber ließ er sich mehr als zwanzigmal und oft spät in der Nacht zu ihm nach der Stadt schicken, wenn Vefele sagte: »Wendel, willst du nicht so gut sein?« Da wanderte er dann hin, und das Mohrle sprang mit, und sie brachten einen Brief von Vefele an den »Doktor«. Oft auch, wenn der Wendel den ganzen Tag geackert hatte und müder war als seine Gäule, brauchte das Vefele nur ein gut Wort zu sagen, und er spannte nochmals ein und führte den Brönner durch Nacht und Wetter heim.
Eines Samstags Abends sagte Vefele im Hofe zum Wendel: »Morgen früh mußt du so gut sein und ganz früh nach Horb fahren und den Brönner holen.«
»Ist's denn wahr?« fragte Wendel, »daß Ihr Euch mit einander versprechen wollt?«
»Ja.«
»Wenn ich Euch raten soll, so thut's nicht, es gibt noch rechtschaffene Bauersleut' genug.«
Vefele erwiderte: »Du kannst's eben dem Brönner nicht vergeben, daß er einmal Er zu dir gesagt hat.« Es wollte noch mehr hinzusetzen, aber es bedachte sich, denn es wollte den Wendel nicht beleidigen. Innerlich aber sagte es sich: »es ist doch gräßlich, wie dumm und hartnäckig so ein Bauer ist,« und es freute sich, darüber hinausgekommen zu sein. – Trotz seiner Widerrede war Wendel doch schon lange ehe es tagte mit dem Wägelchen auf der Straße, um den Brönner abzuholen.
Vefele und Brönner verlobten sich nun öffentlich mit einander, und die Leute sprachen allerlei davon, ja sie sagten sogar heimlich, Brönner habe dem Schloßbauer, weil er die Heirath mit seiner Tochter nicht habe zugeben wollen, einen Trank gegeben, woran er gestorben sei. So schießen die Leute in ihren überklugen Vermuthungen meist über das Ziel hinaus.
Die erste Veränderung, der sich nun Vefele unterwerfen mußte, war eine sehr traurige. Der Brönner schickte ihm eines Tages eine Näherin aus der Stadt und ließ ihm Kleider anmessen. Vefele kam sich vor wie ein Rekrut, der nicht mehr Herr über sich ist und sich in jede beliebige Uniform stecken lassen muß, weil ihn das Loos so getroffen; es ließ
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