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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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besser als die andern, sondern auch für höher stehend und vornehmer. Das war sein großes Unglück.
     
2.
     
    Man irrt sich gar gewaltig, wenn man glaubt, auf dem Lande da könne man ganz ungestört allein für sich leben. Das kann man nur in einer großen Stadt, wo die Menschen sich nicht umeinander kümmern, wo Einer an dem Andern täglich vorübergeht, ohne zu wissen, wer er ist, was er thut und treibt, wo man ohne Gruß, ja fast ohne Blick vor einem Menschen vorbeirennt, als ob er ein Stein, und nicht, als ob er ein Mensch wäre. Aus dem Lande, in einem Dorfe aber, wo die kleine Anzahl der Einwohner sich kennt, muß man gewissermaßen von seinem Thun und Treiben einem jeden Rechenschaft geben, man kann sich nicht selbstgenügsam abschließen. – Im Schwarzwalde ändert sich der Gruß je nach dem öffentlichen Thun: gehst du den Berg hinab, so sagt dir der Begegnende: »Weant (wollt) Ihr au do 'na?« Den Berg hinauf: »Weant Ihr au do 'nuf?« Ladest du etwas auf den Wagen, so heißt es: »Ueberladet et«; oder: »Ueberschaffet Eu et.« Sitzest du ausruhend vor deinem Hause oder auf einem Feldraine: »Weant Ihr au g'ruawe (ruhen)?« oder: »Hent (habt) Ihr Feierobed?« Plauderst du mit andern, so sagt der Vorübergehende: »Hent ihr guate Roth?« u.s.w.
    In dieser ausgesprochenen Theilnahme an dem Thun und Lassen des Andern liegt eine gewisse sinnige Gemeinschaft des Lebens, die sich über Alles ausbreitet; aber auch hier fehlen die Schattenseiten nicht. Will einer aus besonderen Gründen sein Leben so einrichten, daß es gegen die allgemeinen Sitten und Gewohnheiten verstößt, so ist er dem Widerstreben und dem Spotte aller ausgesetzt; namentlich ist ein alter Junggeselle oder eine alte Jungfer die Zielscheibe des Straßenwitzes, gleichviel, ob sie aus Armuth oder aus irgend einem andern Grunde im ledigen Stande verharren.
    Je mehr sich nun Vefele der trübseligen Altjungferzeit näherte, um so mehr erlaubte man sich, das »Schloßfräle« zu necken und zu verhöhnen. Einmal, an einem Sonntage, ging Vefele durch das Dorf. Vor dem Rathhause stand ein »Rädchen« junger Bursche; der Tralle, ein halbstummer Dorftölpel, stand nicht weit davon. Als sie nun das Vefele bemerkten, da rief einer: »Tralle, da kommt dein' Hochzeiterin.« Der Tralle grinste fröhlich. Sie ermuthigten, hetzten und stießen ihn nun, er solle seine Braut am Arme nehmen; das Vefele hörte es und glaubte, es müsse vor Scham und Aerger in den Boden sinken. Schon stolperte der Tralle zu ihm her und faßte es mit grinsenden, verzerrten Mienen am Arme; Vefele erhob seinen Blick so jammernd und vorwurfsvoll nach den Burschen, daß wirklich einer derselben versucht war, ihm beizustehen. Man hörte nicht, was er sprach, denn die Burschen lachten überlaut. Da kam dem Vefele unversehens Hülfe. Der Hund, das Mohrle, der ihm gefolgt war, sprang plötzlich auf den Rücken des Tralle, faßte ihn am Kragen und riß ihn zu Boden. Vefele hatte nur zu thun, den Hund wieder von seiner Beute loszumachen, dann ging es schnell seines Weges fort. Das Mohrle war fortan eine gefürchtete Macht im Dorfe. Dieser Vorfall betrübte das Vefele sehr, und die Abneigung gegen das Bauernwesen bestärkte sich immer mehr in ihm.
    Vefele war auf einige Wochen zum Besuche bei Melchior in Ergenzingen; auch hier war es oft betrübt, denn der Melchior hatte eine hartherzige, geizige Frau, bei der er kaum satt zu essen bekam.
    Der Schultheiß von Ergenzingen, ein Wittwer mit drei Kindern, kam oft zum Melchior, und eines Tages freite er um Vefele. Vefele war fast entschlossen, dem Antrag zu willfahren; es hatte zwar keine Neigung zu dem Schultheißen, aber das einsame Leben war ihm verleidet, und dann erfreute es sich an dem Gedanken, den mutterlosen Kindern eine freundlich liebende Mutter zu sein. Da kam der Schloßbauer und stellte seinem Kinde vor, daß der Schultheiß ein Grobian sei, der seine erste Frau hart gehalten habe, und dann sagte er wieder, daß für Vefele nur ein feiner Mann passe. Der Schultheiß erhielt eine abschlägige Antwort. Sein Antrag war aber im Flecken bekannt geworden; die jungen Burschen, die dem strengen Mann gern einen Streich spielten, streuten ihm des Nachts Spreu von seinem Hause bis zu dem Hause Melchiors. Der Schultheiß faßte fortan einen besonderen Haß gegen Melchior und Vefele, dieses aber zog mit seinem Vater wieder nach Haus in die Einsamkeit.
    Hätte nur Vefele seiner eigenen Eingebung gefolgt und den Schultheißen geheirathet! Aber

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