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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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es war bestimmt, es sollte sein trauriges Schicksal erfüllen.
    Das Leben des Schloßbauern schien früher enden zu wollen als sein Proceß. Der einst so starke Mann kränkelte und siechte; der lange verhaltene Gram und Aerger hatten wie ein Wurm seinen Lebenskern angefressen. Oft halbe Tage saß er in seinem großen Lehnstuhle und redete kein Wort, nur bisweilen murmelte er ein paar unverständliche Laute mit seinem Hunde Mohrle, der, den Kopf auf seines Herrn Schooß gelegt, mit treuen Augen nach ihm aufschaute.
    Vefele konnte nicht immer um den Vater sein, und jetzt in seiner Krankheit fühlte er doppelt und dreifach, wie vereinsamt und abgeschnitten er von aller Welt war. Gerade wie es vielen Menschen ergeht, die, solange sie gesund und glücklich sind, oft von Gott verlassen so in den Tag hineinleben, wenn aber Krankheit und Unglück über sie kommen, um so schmerzlicher nach Gott, ja sogar oft nach dem falschen Gott des Aberglaubens ringen; so erging es in anderer Weise dem Schloßbauer. Er hatte, solange er gesund war, von den Menschen verlassen gelebt und sich wenig darum bekümmert; jetzt wäre es ihm überaus lieb gewesen, wenn irgend einer, wer es auch sei, mit ihm seine warme Stube getheilt hätte, und wenn sie sich gegenseitig nur hätten eine Prise Tabak bieten können. Der Schloßbauer legte sich in das Fenster und schaute hinaus, er hustete, wenn einer vorüberging; aber niemand grüßte, niemand kam. Er machte dann immer wieder mißmuthig das Fenster zu.
    Es war zwei Tage vor Neujahr, Vefele war mit der Magd am Rathhausbrunnen, um Wasser zu holen; es zwang sich absichtlich zu dieser groben Arbeit, weil es gehört hatte, daß die Leute im Dorfe sagten, es schäme sich einer solchen. Eben hatte es seinen Kübel voll gepumpt, da sagte die Magd: »Guck', der do mit den doppelten Augen, des ist g'wiß der neue Feldscherer.« Ein modisch gekleideter Herr kam das Dorf herab, er trug eine Brille auf der Nase. Just als er an den beiden Mädchen vorüberging, nahm Vefele das Wasser auf den Kopf, aber durch einen unglücklichen Tritt glitt es auf dem Glatteise aus, fiel auf den Boden und ward ganz durchnäßt. Als Vefele sich wieder aufrichtete, stand der fremde Herr bei ihm, er reichte ihm die Hand und hob es auf, dann fragte er theilnehmend, ob es sich keinen Schaden gethan, es wäre gar gefährlich gefallen. Es lag so was Gutes in dem Ton seiner Worte, daß dem Vefele plötzlich gar wunderlich zu Muthe wurde; es dankte herzlich und sagte, daß es sich nichts gethan; es ging weiter, der Fremde ging neben ihm. »Ei, Sie hinken ja!« sagte der Fremde wieder, »haben Sie sich den Fuß verrenkt?«
    »Nein, ich hab' einen kurzen Fuß,« sagte Vefele, und trotzdem, daß es an allen Gliedern fror, schoß ihm doch das Blut siedendheiß in's Gesicht. Es bedeckte sich mit der Schürze das Gesicht und that, als ob es sich abtrocknen wollte, und doch war die Schürze ganz durchnäßt. Der Fremde bemerkte nun, daß es kaum merklich hinke; Vefele lächelte halb ungläubig, halb geschmeichelt darüber. Es war Vefele ganz eigen zu Muthe, daß der Fremde immer so neben ihm herging durch das ganze Dorf bis zu seinem Hause; aber auch dort trat er mit einigen Entschuldigungsworten ein, ohne eine Antwort darauf abzuwarten. Das Mohrle aber sprang plötzlich auf den Fremden los und hätte ihn gewiß niedergerissen, wenn nicht der herbeigekommene Schloßbauer und das Vefele mit aller Macht abgewehrt hätten. Der Fremde verordnete nun für Vefele mancherlei Vorkehrungen gegen Erkältung, es mußte sich in's Bett legen und Thee trinken.
    Mittlerweile saß nun der Fremde, oder wie er eigentlich hieß, Eduard Brönner, bei dem Schloßbauer und plauderte behaglich mit ihm; kaum eine Stunde war vorüber, so hatte er die ganze Geschichte des Schloßbauern erfahren. Dieser gewann den Herrn Chirurgus Brönner schnell lieb, sprach aber soviel von der Brille und fragte mehrmals, ob er diese immer nöthig habe, daß Brönner wohl merkte, dieses Gelehrteninstrument war ihm unangenehm. Er nahm daher die Brille ab, und der Schloßbauer nickte ihm dafür freundlich zu, indem er sogleich bemerkte, daß er viel offener mit einem sprechen könne, der sein Augenlicht nicht in einer Laterne stecken habe. Nun klagte er auch sein körperliches Leid; Brönner machte eine gar wichtige Miene und sagte: er wäre bis jetzt durchaus falsch behandelt worden, und verschrieb ein unfehlbares Mittel.
    Brönner kam von dieser Zeit an fast jeden Tag in des

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