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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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ist er jetzt gar, es will ihm nicht recht in den Sinn, daß ich nimmer Vorroß sein soll, daß ich jetzt halt auch an die Deichsel komm'. Deßwegen bin ich halt hehlings in die Stadt und hab' mich einschreiben lassen, es ist ja bald mein eigen Sach. Mein Vater darf aber nichts davon erfahren, der ist –«
    »Schäm' dich in's blutige Herz hinein,« unterbrach die Frau den Redenden, »das ist nichts, so über deinen Vater oder über einen Menschen zu reden, wer er sei, und noch dazu, wenn so ein Wetter am Himmel ist; man versündigt sich ja.«
    »Drum hab' ich's immer gesagt,« begann Luzian, »der Landstand muß eine allgemeine Hagelversicherung für's ganze Land einführen, da kann Keiner mehr neben 'naus, und da ist's auch wohlfeiler; freilich ist's traurig, daß man die Leut' zu ihrem eigenen Nutzen zwingen soll; aber man zwingt's ja zu anderen Sachen, die gar nicht so nöthig sind. Drum ist der Landstand –«
    »Luzian, was hast denn?« rief die Frau in Angst und Pein, »zuerst wird über die nächsten Anverwandten losgezogen und jetzt über den Landstand, und bei so einem Wetter.«
    »Wenn man's ehrlich meint, darf man reden, mag's gewittern oder die Sonn' scheinen. Meinst du, unser Herrgott ist jetzt näher bei der Hand als an einem hellen Tag?«
    »Mich gehen deine Bücher nichts an, und jetzt muß man einmal beten. Ich will jetzt auch nichts mehr reden, es darf keinen Zank geben, das ist ärger als Feuer auf dem Herd.«
    Luzian schwieg, die Frau breitete ein Tischtuch auf dem Tische aus, legte das Gesangbuch und die Bibel aufgeschlagen an der Stelle: »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde« mitten auf den Tisch und streute Salz auf dessen vier Ecken.
    »Aehni, es gitzebohnelet« (schloßt) rief Victor am Fenster.
    Die Mutter nahm ihn still an der Hand, führte ihn an den Tisch und betete dort laut mit ihm.
    Luzian lächelte vor sich hin, als der Knabe las: »Guter Christ, du wirst es ja nicht deinem Pfarrer oder Seelsorger zur Schuld rechnen, wenn Hagel oder Ungewitter Schaden anrichten. Wer kann dem heiligsten Willen des Allmächtigen widerstehen? Oder was für ein Priester hat eine größere Macht als Gott selbst?« 3
    Natürlich: des Priesters Macht reicht hinab in die tiefste Hölle und hinauf in den höchsten Himmel, warum sollte er dem Wetter nicht Einhalt thun können?
    Rührend klang dann das alte Lied, in dem es heißt:
     
    »Das Wildfeu'r fern hin von uns jag',
    In wild's Geröhr und Hage,
    Darin es Niemand schaden mag
    Bei'r Nacht und auch bei'm Tage.
     
    O reicher Gott! laß mildiglich
    All' Frucht kecklich entsprießen,
    Daß Arm', Elende hie redlich
    Durch Gab' sein Wohl genießen.
     
    Den armen Seelen in Fegfeu'rs Pein
    Thu' bitters Leiden schmälen,
    Und sie durch das Almosen rein
    Den Seligen zuzählen.«
     
    Wie mit scharfen Schroten schlug es nun gegen die Fenster, eine Scheibe sprang und aus der Ferne hörte man andere klirren, Fensterladen abknacken und Klageschreie verhallen.
    »Das giebt ein gräßliches Unglück, ein gräßliches Unglück!« jammerte Luzian und rang die Hände vor sich hin.
    Victor hatte schon lange neben ausgeschielt, jetzt sprang er auf und holte eine durch die geöffnete Scheibe eingedrungene Schloße; sie war fast so groß wie ein Taubenei.
    »O wie schön!« rief Victor, und Alles antwortete wie aus Einem Munde: »Daß Gott erbarm!«
    Immer dichter und dichter kam der Hagelschlag.
    »Haufengenug, ist nimmer nöthig, es ist schon Alles hin,« sagte Luzian, nach Außen winkend, trauervoll in Ton und Miene.
    Luzian und Paule schlossen schnell die Fensterladen, um die Scheiben zu wahren; Licht wurde angezündet.
    »Jetzt sind wir in der Arche Noah, und du, Aehni, bist der Noah, wenn unser Haus fortschwimmt,« plauderte Victor.
    »Still!« gebot Luzian mit scharfem Tone, dann setzte er flüsternd hinzu: »Es ist mir nur lieb, daß die Ahne (Großmutter) in der Kammer das Wetter verschlaft; so alte Leut' sind doch wie die kleinen Kinder, die spüren die schwere Luft und sinken um. Sie ist heut' auch ein bisle zu weit mit dem Bittgang in's Feld.«
    Keines redete mehr ein Wort, selbst Victor ging auf den Zehen und betrachtete das Zerfließen der Schloße auf seiner warmen Hand; nur manchmal hob er sie auf und versuchte beim Lichte durchzuschauen; Tropfen fielen auf das Gesangbuch und vermischten sich dort mit den Thränen, welche die Frau geweint hatte.
    Man horchte still hinaus ob das Wetter noch nicht nachlasse, das wüthete aber immer toller; wie aus riesigen

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