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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Die die Wirthsstube verlassen hatten, kehrten nicht mehr dahin zurück, sondern eilten heimwärts, immer wieder aufschauend und die Hände von sich abstreckend, als müßten sie den Einfall des Himmels von sich abwehren. Die in der Wirthsstube verblieben waren und ihre noch in der Hand gehaltenen Karten an sich drückten, um den Nachbar nicht einschauen zu lassen, warfen das Spiel mit allen Trümpfen weg und nahmen sich nicht einmal Zeit, den Rest ihres Trunkes zu leeren; auch sie eilten »heimezu«.
    Jedes wollte zu den Seinen stehen, als wäre das Unglück abzuwenden, wenn man sich ihm mit vereinter Kraft entgegenstemmte; jedenfalls war es leichter zu tragen.
    Der Wirth war bald allein, und indem er die Reste zusammenschüttete, sagte er vor sich hin: »Und jetzt haben wir heut erst den Zehnten abgelöst.« Der Vorder- so wie der Nachsatz dieses Gedankens kam nicht zu Worte, denn er wagte es nicht, vor sich selbst die Furcht auszusprechen, die ihn erzittern machte.
    Luzian ging still das Dorf hinab, manchmal zwinkerte er mit den Augen, wenn er aufschaute, und preßte die scharfgeschnittenen Lippen zusammen. Am Schulhause begegnete er dem Lehrer, der die Kirchenschlüssel trug und als Küster eben zum Wetterläuten gehen wollte.
    »Ihr solltet das sein lassen, Herr Lehrer,« sagte Luzian, »wenn's da droben aufspielt, da nützt das Bimbam nichts. Ich hab' erst vorlängst noch gelesen, daß das Wetterläuten ein alter nichtsnutziger und gefährlicher Brauch ist. Wer nicht von ihm selber betet, der thut's auch nicht auf das Gebimbel hin. Es ist ja auch abkommen gewesen.«
    »Ja, aber unser neuer Pfarrer hält streng auf die alten Bräuche, ich bekomme beim Unterlassen einen strengen Verweis.«
    »So? Auch auf das hält er? Hätt's eigentlich wissen können. Nun, behüt' uns Gott!«
    Im Weitergehen schnalzte Luzian mit beiden Händen und spie oft aus. Fast vergaß er über seinem Aerger, was am Himmel vorging, er mußte sich jetzt zusammennehmen, daß ihm der Hut nicht vom Kopfe gerissen wurde; der Sturmwind wirbelte graue Staubwolken vor ihm her zusammen, schon fielen jetzt einzelne breite Tropfen, und als er die Klinke seiner Hausthür erfassen wollte, zuckte ein gelber Blitz, so daß Luzian geblendet nach dem Griffe tastete.
    »Gott sei Lob, daß du da bist!« begrüßte ihn seine Frau, »was sagst du zu dem Wetter? Es wird doch, will's Gott, mit Gutem vorübergehen! So, jetzt bist doch da. Mir ist viel leichter, wenn dein Rock am Nagel hängt. Komm, gieb her.«
    »Laß mir ihn noch an, man weiß nicht, wie man 'naus muß. Ist das Kind da?«
    »Ja. Siehst ihn denn nicht? Da sitzt er und liest. Das giebt auch so einen Büchergucker, wie du. Victor, gieb dem Aehni (Großvater) die Hand, du hast jetzt genug gelesen und es ist ja stichedunkel.«
    »Wo ist das Bäbi?« fragte Luzian.
    »Draußen in der Küch', der Paule ist auch da.«
    »Gang und mach' das Feuer aus und sie sollen 'rein kommen. Halt, das ist ein Schlag, der hat kracht und jetzt läutet der Schulmeister auch noch^.«
    Während die Frau hinausging, trat Luzian in die Nebenstube, er fand dort eine Schlafende, die wol durch das drückende Wetter jetzt schon eingeschlafen war. Es ist dieselbe Frau, bei der wir heute beim Bittgang verblieben sind, als wir, gleich ihr die Andern weiter ziehen ließen. Auf leisen Sohlen kehrte Luzian wieder in die Stube zurück, er lehnte die Thür nur an, ohne sie in's Schloß fallen zu lassen.
    Die Bäbi und der Paule traten mit glühenden Wangen in die Stube. Die Mutter hatte draußen wol ein großes Feuer zu löschen gehabt. Bäbi stellte sich sogleich zu Victor an das Fenster, es gelang ihr dadurch, ihr flammendes Antlitz zu verbergen, das sie dem Vater nicht zeigen wollte.
    »Guten Tag, Schwäher,« sagte Paule und steckte aus Ehrerbietung die in der Hand gehaltene Pfeife in die Brusttasche.
    »Guten Tag. Bist allein hier?«
    »Ja.«
    »Guter Gott!« begann Bäbi, »wenn das Wetter nur keinen Schaden thut, das könnt' alle Lustbarkeit auf unserer Hochzeit –«
    »Du denkst jetzt nur an dich,« unterbrach sie Luzian; »Paule wie ist's? Hat dein Vater sich in die Hagelversicherung einschreiben lassen?«
    »Mein Vater? Nein. Gucket Schwäher, Euch kann ich's ja sagen; mein Vater, der ist gar wunderlich, der trappelt so 'rum und drückst und will halt nicht an die Sach, und geht man ihm scharf auf den Leib, so sagt er, daß er nur nichts zu thun braucht: man muß Gott machen lassen, wenn er Einen strafen will. Und gegen mich

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