Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Wurfeln schüttete es immer wieder und jeder letzte »Schüttler« schien der gewaltigste.
»Das kann bei uns daheim auch sein,« sagte Paule. Niemand antwortete.
Endlich fielen nur noch einsame Tropfen an die Fensterladen. Menschenstimmen wurden auf der Straße hörbar. Man öffnete und schaute wirklich wie aus der Arche Noah hinaus. Welch ein Fluthen und Wogen überall! Das gurgelte und murmelte lustig, aber die Menschen waren nicht von der Erde verschwunden, sie waren geblieben zu Jammer und Noth.
Alles rannte durcheinander hin und her und hinaus auf's Feld, Jedes wollte seine zerschlagene Hoffnung sehen; Einige kehrten schon heim und brachten eine Handvoll ausgeraufter Aehren mit, sie zeigten sie mit thränenschweren Blicken. Heulen und Wehklagen der Frauen erfüllte die Straßen und die Häuser; stumm, gesenkten Hauptes wandelten die Männer dahin, innerlich fröstelnd ballten sie die Fäuste, sie hatten so wacker gearbeitet und die Arbeit war hin und die Hoffnung.
In allen Gärten waren die Stützen der Bäume zu Boden gestreckt und neben ihnen lag das unreife Obst, fast kein Baum, dem nicht ein Ast abgeknackt war, viele waren ganz niedergeworfen.
An diesem Abende reichten die Eltern kummervoll den Kindern ihr Essen, sie selber aber hungerten und schwere Sorge nagte an ihren Herzen die bange schlaflose Nacht.
Heute hielt sich von selbst das strenge »pfarramtliche« Gebot, daß nicht mehr auf den Straßen gesungen werden durfte.
Draußen ist's so würzig, wie eine balsamische Glätte zieht es durch die Luft; in den Häusern und in den Herzen aber ist es trüb und dumpf.
Fußnoten
1 Neuning, ein Haufen von neun Garben.
2 Die nur eine einzelne Kuh zum Anspannen haben.
3 Wörtlich aus: Guter Samen auf ein gutes Erdreich. Ein Lehr- und Gebetbuch sammt einem Haus- und Krankenbüchlein für gutgesinnte Christen, besonders für's liebe Landvolk, von Aegidius Jais, S. 203.
Ein Blick in's Haus und in die Rathsstube.
Das war ein traurig Erwachen am Montag. Die Sensen und Sicheln waren gedengelt, die Menschen fühlten ihre Sehnen gespannt und straff zu frischer Arbeit, jetzt ließen sie die Hände sinken und schauten still drein. Dennoch ruhte auf manchem Auge, das sich ausgeweint hatte, auf manchem Antlitze ein Abglanz stiller Verklärung, man möchte sagen wie auf der Natur rings umher, die sich auch ausgeweint zu haben schien.
Ein Ungemach, das hereingebrochen, sieht sich am andern Morgen ganz anders an; am Tage seiner Entstehung willst du es nicht dulden, kannst du es nicht fassen, es soll sich nicht einnisten in deiner Seele als Wahrheit; wie wäre es möglich? Du selbst lebst und deine Gedanken sind wach. Wie kann dir etwas entrissen werden, das dir angehört, das du mit deinen Gedanken festhältst? Sinkt die Nacht, versenkt dich in Schlummer und macht dich dein selbst vergessen, so faßt dich am Morgen das, was dich gestern betroffen, noch immer mit staunendem Schmerze, aber schon ist es zur Vergangenheit geworden, die mit unwandelbarer Gewißheit feststeht, du kannst nicht mehr daran rütteln und mußt dich darein ergeben, mit stillem Schmerz dein zerstücktes oder überbürdetes Leben der heilenden Zukunft entgegenführen.
Auf Feld und Flur funkelte und flimmerte der Morgenthau, der trieft hernieder, ob die Halme sich auf ihren Stengeln neigen oder geknickt zur Erde geworfen sind. Die Sonne stand am Himmel in voller Pracht, sie bleibt nicht aus am Himmelsbogen, nur manchmal lagern sich Wolken, Wetter und Nebel zwischen sie und die Erde und das Erdenkind vermag nicht durchzuschauen, das Licht genügt ihm nicht, es will seinen Urquell erfassen. Das Licht aber haftet im Auge wie in der weiten Welt draußen, und das Auge vermag es nur zu schauen, weil das Licht in ihm ist. Du suchst den Urquell und er ist in dir wie in der Welt.
Das Korm am Halme, das zur Erde niedergeworfen ist, geht in Verwesung über und setzt nur zu seinem eigenen fruchtlosen Untergange neue Keime an. Der Mensch aber gleicht nicht dem Halme, er kann sich aufrichten durch die Kraft seines Willens.
Frisch auf! du mußt dich durch die Welt schlagen, ja hindurchschlagen, das ist's. Der Tag ist verloren, ausgebrochen aus der Kette deines Lebens, den du in Trübsinn und thatenloser Verzweiflung hinstarrtest.
Aus solcherlei Gedanken heraus, die er nach seiner Art hundertfältig herüber und hinüber und auf die besonderen Verhältnisse der Einzelnen anwendete, ging Luzian am andern Morgen von Haus zu Haus. Er
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