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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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und ich von meinen besten Aeckern, wo der Boden fett und mürb ist und wo wir die doppelten Neuning 1 machen? Saget nur Alle Ja.«
    »Nein,« schrie es von allen Seiten und »hat Recht, hat beim Blitz Recht,« hinkte noch der Eine und Andere mit seiner Rede nach, als bereits wiederum Stille eintrat und Luzian dann fortfuhr:
    »So? Also nein; warum stehet ihr denn aber da wie Gott verlaß mich nicht und red't kein's und deut't nicht und macht nicht und bericht't nicht? Warum lasset ihr mich immer am schweren Ort anfassen? Nun meinetwegen, es geht auf die alt' Zech'. Jetzt ich mein' so: wenn der Vorschlag angenommen wird, und ich will mich nicht dagegen stäupern (widersetzen), dann macht man den Anhang dazu: man wählt noch einen Ausschuß, der den Zehnten zelgweise, wie's Kauf und Lauf ist, umlegt. Aber ihr schreibet Alle nicht gern Zettel und da du,« er stieß lächelnd seinen Nachbar an, »du fürchtest mit den Anderen, das Bier im Rößle wird dir warm. Also der Gemeinderath und drei Mannen vom Bürgerausschuß, die nehmen noch ein paar von den Halbfuhrigen 2 dazu und die vertheilen's gleichling.«
    Dieses wurde nun auch einstimmig beschlossen.
    Es war so erstickend heiß in der Gemeindestube, daß Viele schon innerlich grollten, weil die Verhandlung so lange dauerte, obgleich es ja ihr nächstes Wohl betraf. Andere schlichen sich, da die Thür offen gelassen werden mußte, still davon und dachten, die Zurückbleibenden würden schon ausmachen was gut sei; sie stimmten gar nicht mit, und gewiß waren diese Ausreißer nicht minder vorn dran, wenn es galt, die Ueberlasten aller Art zu beklagen. Die Ueberwitzigen beschönigen dann wohl gar ihre Faulheit mit der klugen Rede, daß der Bettelsack doch ein Loch habe und da nicht zu helfen sei, es müsse Alles anders kommen. Denn nicht blos hinter Brillen hervor dringen solche kluge Blicke, die über Alles hinaus sind und alles Thun eitel finden; die urthümliche Lungerei ist grad so weit.
    Endlich ward die Gemeindeversammlung aufgehoben, die Straßen belebten sich. Viele Männer zogen ihre Röcke aus und schickten sie sammt den Hüten durch herbeigerufene Knaben nach Hause; der kleine Umweg von da in's Wirthshaus war ihnen zu viel.
    Allerlei Gruppen bildeten sich, wir bleiben bei der um Luzian. Er erhielt allgemeines Lob und man sagte ihm, es sei einmal so, wenn Er in der Versammlung sei, so warte eben alles, bis er dem Gemeinderathe die Streu schüttle.
    Es muß hiebei bemerkt werden, daß Gemeinderath und Ausschuß, besonders wo jener lebenslang gewählt ist, sich oft verhalten, wie Regierung und Stände, so weit diese aus unabhängigen Männern bestehen. Schon geraume Zeit kämpfen alle Einsichtigen gegen die Lebenslänglichkeit des Gemeinderaths, aber das Staatsgesetz verharrt unbeugsam, und so hat man zu jenem Verfahren genöthigt, das Luzian oben angab; man hat damit den Einklang mit dem Gesetze tiefinnerlichst untergraben.
    Luzian hatte noch einen besonderen Grund, warum er, wie man sagt, gerne dem Gemeinderath eine hölzerne Wurst auf's Kraut legte. Wir werden das schon noch sattsam erfahren.
    »Es macht doch gottsträflich heiß,« bemerkte jetzt der Schmied Urban.
    »Thut Nichts,« entgegnete Luzian, »ich weiß nicht, ich kann die Hitz' viel eher vertragen als die Kält', und ich schwitz' auch schon gern ein bisle, wenn's nur ein gut Weinjahr giebt; es ist denen Wingerter zu gunnen. Soll das Gewächs auskochen, so muß der Mensch auch sein Theil Hitz mitnehmen.«
    »Der Luzian schwitzt gern für die Welt, er ist ja auch so ein Stück Erlöser,« sagte der Brunnenbasche, ein wohlhäbiger, bejahrter Mann, der die Rolle des Schalksnarren im Dorfe spielte.
    Luzian gab ihm keine Antwort und ging voraus.
    Man ging nach dem Wirthshause. Luzian las die Zeitung, deren verschiedene Blätter in einem kleinen Kreis vertheilt waren, Andere »kartelten,« da der Pfarrer das Kegeln am Sonntag verboten hatte. Bald aber legten die Spieler die Karten weg, die Zeitungsleser rieben sich die Augen und die Buchstaben flimmerten vor ihnen, es war plötzlich stockdunkel.
    »Heiliger Gott! was ist das?« rief der Erste, der zum Fenster hinaussah.
    »Was giebt's?«
    »Da gucket einmal den Himmel an.«
    Es gab nicht genug Fenster für die Drängenden, man rannte hinaus in's Freie. Schreckensbleich wurde jedes Antlitz, das aufschaute. Schwere, schuppenartig gestaltete Wolken schoben sich im ganzen Gesichtskreise träg in einander; mit jedem Augenblicke wurde es düsterer und nächtiger.

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