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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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nöthigte auf manches kummerstarre Antlitz das Zucken eines Lächelns durch seinen Haupttext: »Dem Weibervolk ist's nicht zu verdenken, das muß klagen und jammern wenn ein Hafen (Topf) in Scherben zerbricht; das ist ja grad das bravst Häfele gewesen, nein, so wird keins mehr gemacht; der Mann aber sagt: hin ist hin und jetzt wirtschaften wir mit dem, was noch blieben ist. – O! die leichtsinnigen Männer, denen ist an Allem nichts gelegen, klagen dann noch die Weiber, und am Ende müssen sie uns doch Recht geben.«
    Luzian brachte es zu Wege, daß mancher Mann, der Alles stehen und liegen und in sich verfaulen lassen wollte, sich nun doch aufmachte, um wenigstens das Obst zur Schweinemastung einzuheimsen.
    Es war schon viel gewonnen, daß man sich wieder zur Thätigkeit aufraffte. Freilich fing man zuerst mit dem Kleinsten an, aber das trifft sich meist, daß man nach erlittenem Ungemache zuvörderst das Nebensächliche, oft Unbedeutendste in Angriff nimmt, man getraut sich noch nicht an das Hauptstück; die Hand gewinnt jedoch hiemit wiederum Stärke und Festigkeit, das Blut strömt wieder lebendiger zum Herzen und erfrischt es mit neuem Muth.
    Müde und lechzend kam Luzian zu Mittag nach Hause und sein erstes Wort war: »Weib, wir müssen doppelt sparen und hausen, wir bekommen den Winter wieder große Ueberlast.«
    »Ich seh' schon, wie du wieder überall sorgen und helfen willst,« entgegnete die Frau, »und du kriegst doch nur Schimpf und Undank.«
    »Laß du meinen Luzian nur machen, was mein Luzian macht das ist gut,« sagte die Ahne, die im großen Lehnstuhl saß.
    »Ich weiß wohl, ihr Zwei haltet zusammen wie gezwirnt,« schloß die Frau lächelnd, indem sie das Tischtuch von der Suppe zurückschlug; denn es ist hier Sitte, besonders im Sommer, daß man geraume Weile vor der Essenszeit die Suppe auf das ausgebreitete Tischtuch stellt und dann das Tuch wieder über die Schüssel schlägt, um die Suppe in sich verdampfen und abkühlen zu lassen. Man liebt das heiße Essen und das langwierige Blasen nicht.
    Wir sind gestern unter so seltsamen Umständen vor dem Wetter hier in das Haus geflüchtet, daß wir kaum Zeit hatten uns die Leute näher zu betrachten. Wir müssen uns damit sputen, bevor vielleicht eine unversehene Erschütterung Alles so von der Stelle rückt, daß wir den vormaligen stillen Wandel der Menschen und Verhältnisse kaum mehr herausfinden mögen.
    Der ruhende Mittel- und Schwerpunkt des Hauses war die Ahne, die uns bereits gestern im hellen Sonnenschein an der Hand Victors begegnete. Die Gestalt ist groß und hager, mit runzlichem, fast klein gewordenem Antlitze, das dunkelbraune Auge scheint kaum gealtert zu haben, das blühweiße Tuch, das sie fast immer um den Kopf gebunden trägt und dessen Eckzipfel hinten weit hinabfallen, rahmt das Gesicht auf eigentümliche Weise ein und gibt ihm einen nonnenhaften Anblick; sie ist aller ihrer Sinne mächtig, im ganzen Behaben äußerst säuberlich, fast zierlich. Nur zum sonntäglichen Kirchgange entfernt sie sich vom Hause. Schon geraume Weile vor dem ersten Einläuten macht sie sich auf den Weg, erwartet sodann im Winter in der Stube des Schullehrers, im Sommer auf der Bank vor dem Rathhause den Beginn des Gottesdienstes. Mancher, der die alte Cordula so dahin wandeln sieht, eilt, um sich noch mit ihr auf der Rathhausbank zu besprechen; sie hat ein offenes Herz für Leid und Lust, und oft findet hier auf dem Vorhofe eine heiligere Erhebung statt als im Innern des Tempels. Manche suchten aber auch in neckischer Weise die Ahne auf ihren Hauptspruch zu bringen, sie wollte es aber nie glauben, daß man ihrer spotte. Dieser Hauptspruch der Ahne war nämlich: »Ja, wenn der Kaiser Joseph nicht vergiftet wäre, dann wäre das und das gewiß besser.« Sie verehrte den Kaiser, von dem ihr Vater oft und oft gesprochen hatte, fast wie einen Heiligen; sein Andenken war mit dem an ihren Vater unauflöslich verknüpft, als wären sie Geschwister gewesen. Sie hegte den vielverbreiteten Glauben, daß der Kaiser, weil er's so gut mit allen Menschen gemeint habe, von scheinheiligen Pfaffen um sein junges Leben gebracht worden sei. In solch gegenständlicher Weise faßt der Volksglaube die Untergrabung der edeln Pläne des hochherzigen Kaisers. Einst las Luzian der Mutter eine Lebensgeschichte des Kaisers vor und sie behauptete, das sei just so wie ihr Vater erzählt habe, nur anders gesetzt. Das Dorf hatte bis in die neueste Zeit zu Vorderösterreich gehört

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