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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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aber steigen sie schon wieder die Höhe jenseits hinan; weit voraus sind die Ersten, und noch bewegt sich das Ende des Zuges zwischen den Hecken der Gärten am Dorfe. Die Menschen ziehen hin durch die Flur und danken dem Gotte, der so reiche Saat emporsprossen ließ, sie flehen um ferneren Schutz und segnen die Frucht ihrer Arbeit. Es ist der Bittgang durch das Feld.
    Diese Wege zogen sie oft einsam, belastet und müde, heute sind sie alle vereint, frei und in ihren Feierkleidern; nur Worte, andächtige Grüße schicken sie hin über die Häupter der schwankenden Aehren, die sich still zu einander neigen, als verstünden sie den Gruß und flüsterten Unhörbares sich zu.
    Den Zug schloß eine uralte wohlgekleidete Frau, sie ging etwas gebückt und führte einen rothwangigen Knaben von etwa neun Jahren, der stets tänzelte und hüpfte. Als man an der Thalschlucht anlangte, sagte die Alte: »Victor, halt ein bisle still, wir wollen da absitzen, meine Läufer wollen nimmer mit; komm', wir wollen noch beten und dann heimezu gehen.«
    Sie setzten sich auf den Rain und der Knabe las aus dem Gebetbuche vor. Dann sprach die Alte mit tiefer Rührung von der Güte Gottes, der nun die armen Menschen wieder so reich gesegnet habe.
    Endlich richtete sie sich auf und streichelte den Knaben über Stirn und Wangen, und nun machten sie sich still auf den Weg.
    Im Dorfe war Alles wie ausgeflogen, die Glocke schien gleich einer Mutterstimme die Fernhingezogenen zu rufen, daß sie der Heimath nicht vergäßen. Deß hatte es keine Noth, denn bald füllten sich die Straßen wieder und Alles eilte mit doppelter Hast zur harrenden Speise. Eben bebte der letzte Ton des Geläutes aus, und schon schlug es zwölf Uhr.
    Der Mittag ist glühheiß, die Sonne sticht so spitz. Nach der Mittagskirche ist es wiederum leer auf der Straße. Die Pappel beschaut sich weithin im glatten Spiegel des Weihers und kein Lüftchen bewegt ihre langstieligen Blätter; die Enten liegen am Ufer, und da sie nichts zu reden und nichts zu essen haben, stecken sie die Schnäbel unter die Flügel und – gut Nacht Mittag! Eine Schaar Hühner hat unter einem leerstehenden Wagen Schatten gesucht, und nur eine unruhige aus ihrer Mitte gräbt sich tief ein in den Sand.
    Das ganze Dorf ist wie schlafen gangen. Am Rathhause aber hört man gewaltigen Lärm, besonders tönt eine mächtige Stimme hervor. Alle Mannen sind dort versammelt, denn der Schultheiß bringt einen neuen Vorschlag an die Gemeindeversammlung. Zweierlei Mißlichkeiten hatten bisher beim Einzuge des Zehnten stattgefunden. Vor Allem die Scherereien durch die Zehntknechte, da war man nicht Herr seines Eigenthums, bis die Herren Zehntknechte ihren Theil geholt hatten; pachteten Ortsangehörige den Zehnten, so blieb dieser Mißstand derselbe und führte noch zu allerlei Feindschaften bei der Steigerung u.s.w. Darum hatte der Gemeinderath für dieses Jahr sowohl den »Herrenzehnten« als den »Pfarrzehnten« gepachtet, und verlangte dafür die Bestätigung der Gemeinde. Der Vorschlag war sachgemäß und billig, Alles schien einverstanden.
    Da erhob sich der Sägmüller Luzian Hillebrand, der zugleich auch Obmann des Bürgerausschusses war, und rief: »Wie? will Keiner das Maul aufthun bei der Hitz'? Fürchtet er sich die Zung' zu verbrennen?«
    Alles lachte und man hörte eine Stimme sagen: »Was hat der jetzt wieder?«
    Luzian fuhr fort: »Was hat der jetzt wieder? hör' ich da rufen. Sollst's gleich hören und ihr Alle mit. Ich muß mich jetzt schon an den Laden legen. Also wie es den Anschein hat, soll die Sach' jetzt gleich beschlossen werden, butschgeres fertig, wie der alte Geigerlex als gesagt hat. Aber warum hören Wir vom Ausschuß erst jetzt davon? Da sehet ihr's, ihr Mannen, wie die Herren Gemeinderäth' für die Ewigkeit, ich mein' die lebenslangen, regieren, da könnet ihr's nun wieder abmerken, daß ihr nie mehr Einen wählet, der nicht unterschreibt, daß er nach fünf Jahren austreten will.«
    »Was hast denn gegen die heutige Sach'?« fragte der Schultheiß, »was sollen die griffigen Reden?«
    »Kommt schon,« entgegnete Luzian, »es ist auf die Lebenslangen kein Schlag verloren, als der wo neben 'naus geht. Also nach dem Flurbuch wollet ihr den Zehnten umlegen? Nicht wahr Schultheiß und du Heiligenpfleger, du hast deine Aecker meist im Speckfeld, der Kübelfritz da hat aber seine paar Aeckerle drunten beim Heubuckel und im Nesselfang; was meinst, muß der vom Morgen so viel Zehnten geben, wie du

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