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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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ganzen innern Verlauf kannte, daß sich die ganze Gemeinde wie Ein Mann erhob. Der Gemeinderath mit sämmtlichen Ortsbürgern reichte einen Protest gegen die neue Bestallung ein, der zu gleicher Zeit an die Regierung und an den Bischof geschickt wurde. Sie verlangten ihren alten Pfarrer wieder oder falls dieß nicht gewährt würde, das freie Wahlrecht; sie wollten keinen von den jungen Geistlichen, gegen deren Anmaßungen sogar schon beim Landstand Klage erhoben worden war. Das war die lebendigste Zeit, in der Luzian seine ganze Kraft entwickelte und die Gemeinde stand ihm einhellig zur Seite. Noch ehe indeß ein Bescheid auf den Protest einging, wenige Tage vor der Fastenzeit, bezog der neue Pfarrer seine Stelle. Sonst ist es bräuchlich, daß das ganze Dorf seinem neuen Geistlichen bis zur Grenze der Gemarkung entgegengeht, dießmal aber war er nur von dem Dekan und einigen Amtsbrüdern geleitet. In den meisten Häusern sah man nur durch die Scheiben dem Einziehenden entgegen, man öffnete das Fenster erst, wenn er vorüber war, da man nicht grüßen wollte. Der Gemeinderath und Ausschuß war auf dem Rathhause versammelt, die ganze Körperschaft ging in das Pfarrhaus und überreichte abermals den Protest. Der Dekan sprach beruhigende Worte und händigte zuletzt dem Schultheiß die abschlägige Antwort des Bischofs ein. Still kehrte man in das Rathhaus zurück und dort wurde beschlossen, in fortgesetztem Widerstande zu beharren.
    Am Sonntag, das Wetter war hell und frisch, versammelte sich das ganze Dorf zu einer Pilgerfahrt; in großem Wallfahrtszuge ging's nach Althengstfeld, dem Geburtsort Paule's. Viele wollten sogleich aus dem Auszuge einen Scherz machen, und schon zog Lachen und Lärmen durch manche Gruppen. Der Brunnenbasche vor Allen ging von Einem zum Andern und hetzte und stiftete, daß das Ding auch ein Gesicht bekäme; den Mädchen erzählte er, daß seine Frau bald ausgepfiffen habe, und er fragte diese und jene, ob sie ihn, einen Wittwer ohne Kinderheirathen wolle, aber ohne Pfaff, so wie die Zigeuner. Da und dort fuhr ein gellender Schrei und ein Gelächter auf; der so andächtig begonnene Auszug schien zum Fastnachtsscherze zu werden. Man war's gewohnt, daß der Brunnenbasche, wie man sagt, über Gott und die Welt schimpfte und sich erlustigte, man ließ ihn gewähren; nun aber ging's doch böse aus. Luzian, der mit einigen Anderen Ordnung herzustellen suchte, kam und zog das Halstuch des Brunnenbasche so fest zu, daß er ganz »kelschblau« wurde. Alles fluchte nun über den Störenfried, den Brunnenbasche, und dieser war kaum losgelassen, als er mit lustiger Miene rief: »Fluchet meine Säu auch, dann werden sie auch fett davon.«
    Jener erste Fastensonntag war der kummervollste, den Luzian bis dahin noch erlebt hatte, ihm war's so herrlich erschienen, wenn man feierlich in geschlossenem Zuge dahin wallte, und jetzt schien alles aus Rand und Band zu gehen, aller Zusammenhalt schien zerrissen. Hier zum Erstenmale erfuhr er, was es heißt, die gewohnte Ordnung aufzulösen, wenn nicht Jeder den Gleichschritt an seinem Herzschlage abzunehmen vermag. Müssen wir denn gefesselt sein durch äußere Amtsmacht? flog's ihm einmal durch den Kopf. Er konnte den verzweiflungsvollen Gedanken nicht ausdenken, denn es galt den Augenblick zu fassen, koste es was es wolle; darum rannte er, in allen Adern glühend, hin und her, schlichtete und ermahnte, und darum ließ er sich von der Heftigkeit zu solcher Behandlung des Brunnenbasche fortreißen. Es gelang ihm endlich mit Hülfe des Steinmetzen Wendel und des Schmieds Urban, Ruhe und Ernst wiederum zu erwecken, und als der Zug sich nun von dem Rathhause aufmachte, begann der Schlosserkarle mit seiner schönen Stimme ein Lied, bald gesellten sich seine Kameraden zu ihm; der Pfarrer schaute verwundert zum Fenster heraus, als die Wallfahrer singend vorüberzogen.
    Der Brunnenbasche war von Jedem, an den er sich anschließen wollte, fortgestoßen worden; jetzt lief er hinterdrein und murmelte vor sich hin: »Laufen die Schaf' eine Stund' weit, um sich mit ein paar Worten abspeisen zu lassen. Der Luzian ist der Leithammel. Könnt' denn das Vieh nicht einmal einen Sonntag ohne Kirch' sein? Ich will aber doch mit und sehen was es giebt.«
    Als man in der Waldschlucht anlangte, war Luzian vorausgeeilt, von einem Felsen hoch am Wege rief er plötzlich: »Halt!« Die ganze Schaar stand still und Luzian sprach weiter: »Liebe Brüder und Schwestern! Ich will euch nicht

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