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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Tische wurde Luzian auf's Rathhaus gerufen. Er fand dort außer dem Schultheiß und den Gemeinderäthen auch den Pfarrer. Luzian maß diesen mit scharfen Blicken, denn er sollte ihm zum Erstenmale so nahe sitzen. Der Pfarrer war ein junger Mann, der die erste Hälfte der zwanziger Jahre noch nicht überschritten hatte, groß und breitschulterig, mit derben Händen, das Gesicht voll und rund, aber blutleer und in's Grünliche spielend, die zusammengepreßten Lippen bekundeten Entschiedenheit und Trotz; ein eigentümliches Werfen des Kopfes, das in bestimmten Absätzen von Zeit zu Zeit folgte, ließ noch Anderes vermuthen. Ueber und über war der Pfarrer in schwarzen Lasting gekleidet, der lange, weit über die Kniee hinabreichende Rock, die Beinkleider und die geschlossene Weste waren vom selben Stoffe; er wollte die leichte Sommerkleidung nicht entbehren und doch keine profane Farbe sich auf den Leib kommen lassen. Der spiegelnde Firniß des rauhen Zeuges gab der Erscheinung Etwas, das ans Schmierige erinnerte, während der junge Mann sonst in Ton und Haltung eine gewisse vornehm stolze Zuversicht kund gab. Dieß sprach sich sogar in der Art aus wie er jetzt, während die Blicke Luzians ihn musterten, mit einem kleinen Lineal in kurzen Sätzen in die Luft schlug.
    »Ich habe dich rufen lassen, Luzian,« sagte der Schultheiß, »wir wollen da wegen dem Hagelschlag eine Eingab' an die Regierung machen und eine Bitt' in die Zeitung schreiben, du sollst als Obmann auch mit unterschreiben.«
    »Wie ist's denn, Herr Pfarrer?« fragte Luzian das Papier in Handen, »wie ist's denn? Schenket Ihr der Gemeind' den Pfarrzehnten, oder was lasset Ihr nach?«
    »Von wem sind Sie beauftragt, mich darüber zu ermahnen?« warf der Pfarrer entgegen, »was ich thun werde, ist mein eigener guter Wille; ich lasse mir meine Gutthat dadurch nicht verringern, daß mich Unberufene daran gemahnen.«
    »Berufen hin oder her,« sagte Luzian, »eine Ermahnung kann einer Gutthat nichts abzwacken; wenn das ja wär', so wären die Gutthaten auch minderer, die auf Eure Ermahnungen in der Predigt von den Leuten geschehen.«
    »Sie scheinen darum die Kirche zu meiden, um nicht zu etwas Gutem verführt zu werden,« schloß der Pfarrer und warf das Lineal auf den Tisch.
    »Ich will Ihnen was sagen,« entgegnete Luzian mit großer Ruhe, da er noch nicht enden wollte, »Sie haben Beicht- und Cummunion-Zettel auch für die großen (erwachsenen) Leute eingeführt; wir lassen uns das nicht gefallen, das war beim alten Pfarrer niemals.«
    »Was geht mich Ihr alter Pfarrer an? Das neue Kirchenregiment hält seine Befugnisse streng zum Heile« –
    »Schultheiß, hast kein'n Kalender da?« unterbrach Luzian.
    »Warum? heute ist der siebzehnte,« berichtete der Gefragte.
    »Nein,« sagte Luzian, »ich hab' nur dem Herrn Pfarrer zeigen wollen, daß wir 1847 schreiben.«
    Der Pfarrer stand auf, preßte die Lippen und sagte dann mit wegwerfendem Blick: »Ihre Weisheit scheint allerdings erst von heute. Ich hätte eigentlich Lust mich zu entfernen und wäre dazu verpflichtet nach solchen ungebührlichen Reden. Sie alle sind Zeugen, meine Herren, daß ich hier, ich will kein anderes Wort gebrauchen, schnöde angefallen wurde. Ich will aber bleiben, ich will ein gutes Werk nicht stören und lasse mich gern schmähen.«
    Solche geschickte Wendung konnte Luzian doch nicht auffangen, er stand betroffen, Alles schrie über ihn hinein und er sagte endlich:
    »Ich will's gewiß auch nicht hindern, gebt her, ich unterschreib', und nichts für ungut Herr Pfarrer, ich bin Keiner von denen Leuten, die sich an einem Polizeidiener vergreifen, weil sie mit der Regierung unzufrieden sind. B'hüt's Gott bei einander.«
    Niemand dankte.
    Aergerlich über sich selbst verließ Luzian die Rathsstube, er hatte das Heu vor der unrechten Thür abgeladen. Der Anhang, den er selbst unter dem Gemeinderath hatte, schüttelte jetzt den Kopf über ihn.
    Wir müssen um einige Monate zurückschreiten, um die Stimmung Luzians zu ergründen.
    Die Regungen des tiefgreifendsten Kampfes zuckten eben erst in der Gemeinde aus. Der alte Pfarrer, der so eins war mit dem ganzen Dorfe, war plötzlich nach dem Bischofssitze berufen worden, er kehrte nicht mehr zurück, statt seiner verwalteten die Pfarrer aus der Nachbarschaft wechselsweise die Ortskirche. Kurz vor Ostern verkündete das Regierungsblatt die Ernennung und fürstliche Bestätigung eines neuen Pfarrers. Dieß war das Signal für Luzian, der den

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