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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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geben und seine Liebe zu gewinnen. Seine Natur neigte zu einer gewissen Vornehmigkeit, dessen war er sich wohl bewußt, und trotz seines eifrigsten Bemühens war es ihm lange Zeit nicht möglich geworden, ungezwungen sein innerstes Wohlwollen zu bekunden. Es fehlten die Handhaben, er bewegte sich mehr in Abstractionen als in bildlicher Anschauung und Ausdrucksweise; er konnte sich aber hierin nicht zwingen, die Menschen mußten seine Art nehmen wie sie war. Oft beneidete er das Gebaren seines Universitäts-Bekannten, des Doktors Pfeffer, der so frischweg mit den Leuten umsprang; aber er konnte sich dieses nicht aneignen.
    Durch den landwirtschaftlichen Verein, der vor ihm blos eine Spielerei oder ein Nebenbau der Bureaukratie gewesen war, gewann unser Amtmann ein natürliches, persönliches Verhältniß zu den Angesehensten seines Bezirkes. Auch mit unserm Luzian war er dort auf heitere Weise vertraut geworden.
    Auf dem Wege nach dem Wirthshause begegnete den Beiden der Wendel, und der Oberamtmann fragte: »Soll ich nichts ausrichten an unser' Amrei?«
    »Dank' schön, Herr Oberamtmann, nichts als einen schönen Gruß.«
    Im Weitergehen erzählte der Beamte wie glücklich er und seine Frau seien, daß sie die wohlerzogene Tochter Wendels als Dienstmädchen im Hause hätten.
    Im Wirthshause war Luzian viel gesprächsamer, indem er seine Ansicht entwickelte, daß man das beschädigte Korn rasch schneiden, jede Garbe in zwei Wieden binden und so aufrecht auf dem Felde dorren und zeitigen lassen müsse. Der Oberamtmann stimmte ihm vollkommen bei. Es bedurfte aber vieler Arbeit, um solches zu bewerkstelligen; die hellen Mondnächte mußten dazu genommen werden. Der Oberamtmann versprach ein schleuniges Ausschreiben an den ganzen Bezirk um Beihülfe, und Luzian sagte endlich: »Ich will heut' noch nach Althengstfeld reiten, die müssen uns helfen.«
    »Ich mache den Umweg und reite mit,« sagte der Amtmann.
    Aus allen Häusern schauten sie auf, als man Luzian neben dem Oberamtmann durch das Dorf reiten sah.
    In dieser Woche wurde fast übermenschlich gearbeitet, aber auch Hülfe von allen Seiten kam. Nacht und Tag wurde unablässig geschnitten und gebunden; nur am heißen Mittag gönnte man sich einige Stunden Schlaf. Am Samstag Abend lag Alles zu Bette, bevor die Betglocke läutete.
     
Es donnert und blitzt abermals.
     
    Der Sonntag war wieder da. An diesem hellen Morgen wurde im Hause Luzians bitterlich geweint. Bäbi stand bei der Mutter in der Küche und betheuerte unter immer erneuten Thränen, sie nehme sich eher das Leben, ehe sie allein zur Kirche gehe. »Der Vater muß mit, der Vater muß mit!« jammerte sie immer. Auf weitere Gründe ließ sie sich nicht ein, als daß der Vater ja doch am nächsten Sonntag in die Kirche müsse. Auf die Entgegnung, daß die Trauung ja in Althengstfeld sei, wiederholte sie stets nur ihren Jammerruf. Sie wollte heute communiciren, und sie durfte nicht sagen, daß sie auf die Frage in der Beichte die Gottlosigkeit ihres eigenen Vaters bekannt und darauf das Gelöbniß abgelegt hatte, Alles aufzubieten, um ihren Vater zur Reue und zum Kirchenbesuche zu bringen; nur unter dieser Bedingung hatte sie die Absolution erhalten.
    »Geh' nein, die Mutter soll's ihm sagen,« tröstete endlich die Frau.
    »Sie will nicht,« entgegnete Bäbi.
    »Probir's noch einmal.«
    Bäbi ging hinein, die Alte blieb aber bei ihrem Spruche: »Was mein Luzian thut ist brav, und was er nicht thut da weiß er warum.«
    »Man muß keinen Hund tragen zum Jagen,« ergänzte Luzian.
    Da warf sich Bäbi vor die Ahne auf die Kniee und geberdete sich wie rasend in Jammer und Klage; sie schwur, sich ein Leids anzuthun, sie wisse nicht was sie thäte, wenn der Vater nicht mit in die Kirche gehe. So hatte man das Mädchen noch nicht gesehen und die Ahne sagte endlich: »Ja, thu's doch Luzian, thu's dem Kind.«
    »Mutter, ist's Euer Ernst, daß ich dem neuen Pfarrer in die Kirch' gehen soll?«
    »Ja, thu's in Gottes Namen, thu's mir zulieb.«
    »Mutter, das ist der höchste Trumpf den Ihr ausspielen könnet, Ihr wisset wohl wenn Ihr saget: thu's mir zulieb, da muß ich.«
    »Ja, es muß Alles einmal ein End' haben, du hast dich lang genug gewehrt; ich wart' auf dich und geh' mit.«
    »Bäbi! Hol' mir den Rock und das Gebetbuch,« schloß Luzian. Das Verlangte war schnell bei der Hand.
    Heute ging die Ahne seit langer Zeit wieder mit der gesammten Familie, sie führte sich an Luzian. Egidi mit der Frau und den beiden

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