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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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predigen, ich kann's nicht und es ist hier der Ort nicht, und doch sind oft die besten Christen in den Wald gezogen und haben von dort sich ihre Religion wieder geholt. Ich hab' jetzt nur Eins zu sagen, ein paar Worte. Wir sind von daheim fort, von der Kirch', die unsere Voreltern gebaut haben; hier wollen wir schwören, daß wir zusammenhalten und nicht nachgeben bis wir unsere Kirch' wieder haben und einen Mann hineinstellen, wie wir ihn haben wollen, wir. Das schwören wir.« Luzian hielt inne, er erwartete etwas, aber die Meisten wußten nicht, daß sie etwas zu sagen hatten, nur einige Stimmen riefen: »Wir schwören.« Luzian aber fuhr fort: »Nein, nicht mit Worten, im Herzen muß ein Jeder den Schwur thun. Noch eins, wir kommen jetzt in ein fremdes Dorf, wir wollen zeigen, daß wir eine heilige Sache haben.« Luzian schien nicht weiter reden zu können, er kniete auf dem Felsen nieder und sprach laut und mit herzerschütterndem Tone das Vaterunser.
    Mit Gesang zogen die Wallfahrer in das Nachbardorf ein, als es eben dort einläutete. Nach der Kirche gab es manche harmlose Neckereien zwischen den Althengstfeldern und ihren neuen »Filialisten.« Währenddessen waren der Gemeinderath und Luzian beim Pfarrer, sie baten ihn, einstweilen Taufen, Begräbnisse u.s.w. in ihrem Orte zu übernehmen, da sie entschlossen seien mit ihrem neuen Pfarrer in gar keine Verbindung zu treten und auf ihrem Protest zu beharren. Ihrer Bitte wurde aber nicht willfahrt, da dieß nicht anginge, Ermahnungen zum Frieden waren das Einzige, was ihnen geboten wurde.
    Zu Hause erfuhr man, daß der Pfarrer nur mit wenigen Kindern und alten Frauen den Gottesdienst gehalten; dennoch aber geschah, was zu vermuthen war. Schon am nächsten Sonntage war der Auszug klein und vereinzelt, es traten dann Fälle ein, wo man den Ortspfarrer nicht umgehen konnte, und Keiner aus der Nachbarschaft wollte taufen und die letzte Oelung geben; der Gemeinderath selber gab endlich nach und trat mit dem Pfarrer in amtlichen Verkehr. So schlief die Geschichte ein, wie tausend andere. Nur in wenigen Männern war der Widerspruch noch wach, und zu diesen gehörte besonders Luzian; er ging dem Pfarrer nie in die Kirche, heute zum Erstenmale hatte er mit ihm am selben Tische gesessen und mit ihm geredet. Noch lag der Protest in letzter Instanz beim Fürsten, und Luzian wollte die Hoffnung nicht aufgeben; heute aber, er wußte nicht, wie ihm war, war er sich untreu geworden, hatte sich zu persönlichem Hader hinreißen lassen; er grollte mit sich selber.
    Ein alter Volksglaube sagt: wiegt man eine Wiege, in der kein Kind ist, so nimmt man dem Kinde, das man später hineinlegt, die gesunde Ruhe. Ja, unnützes Wiegen ist schädlich, und das gilt noch mehr von dem Schaukeln und Hin- und Herbewegen der Gedanken, in denen kein Leben ruht.
    »Was da, Kreuz ist nimmer Trumpf, da gehen der Katz die Haar' aus,« mit diesen fast laut gesprochenen Worten riß sich jetzt Luzian aus dem qualvollen Zerren und Wirren seiner Gedanken. Er ging hinaus aufs Feld, um die Verheerung näher zu betrachten. Allerdings war Luzian mit dem Ertrage aller seiner Felder versichert; man würde indeß sehr irren, wenn man glaubte, daß ihm die Verwüstung nicht tief zu Herzen ginge, ja man kann wohl sagen, sein Schmerz war um so inniger, weil er ein uneigennütziger war; ihm war's als wäre ihm ein lieber Angehöriger entrissen worden, da er diese niedergeworfenen Halme sah.
    Der Künstler liebt das Werk, das er geschaffen, es ist aus ihm; die Stimmung dazu, die urplötzliche und die stetig wiederkehrende, die hat er sich nicht gegeben, er verdankt sie demselben Weltgesetze, das Sonnenschein und Thau auf die Saaten schickt. Auch der denkende Landmann hat dasselbe Mitgefühl für das Werk seiner Arbeit, und wehe dem Menschengeschlechte, wenn man ihm diese oft geschmähte »Weichherzigkeit« austreiben könnte, so daß man in der Arbeit nichts weiter sähe, als den Preis und den Lohn, der sich dafür bietet.
    Wenn der Boden überall in weiten Rissen klafft und die Pflanzen schmachten, da wird euch schwül und eng, und wenn der Regen niederrauscht, ruft ihr befreit: »wie erfrischt ist die Natur!« Noch ganz anders der Bauer; er lebt mit seinen Halmen draußen und kummert für sie; trieft der segnende Regen hernieder, so trinkt er so zu sagen mit jedem Halme und tausend Leben werden in ihm erquickt.
    Wie zu einem niedergefallenen Menschen beugte sich jetzt Luzian und hob einige Aehren auf, sein Antlitz

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