Schwarzwaelder Dorfgeschichten
emporstreckend:
»Auf! und wenn das Gefäß meiner Seele zerbricht! – Meine lieben Christen! Ein Wetter, gräßlicher denn das eure Saaten niederschmetterte, ist aus einer Seele voll Nacht und Dunkel niedergestürzt, um das Pflänzchen des Glaubens in euch zu begraben. Fluchet nicht dem, von wannen solches ausging, er ist arm genug, und wenn er alle Güter der Erde sein eigen nennte. Gehet hin, und Jeder bete still um sein Heil und seine Erlösung durch die Gnade, wie ich es thun werde im stillen Kämmerlein auf meinen Knien, mit meinen Thränen. Er ist mein Bruder, ich lass' ihn nicht, und Niemand darf ihn lassen. Ich spreche nicht von der Schmähung, die mir angethan worden. Was bin ich? Ein unwürdiger Knecht dessen, dem wir alle dienen. Und so ihr also betet für ihn, wird der Herr euch Macht verleihen und euch begnaden, auf daß der böse Feind, der umgeht, eure Herzen nicht in seine Fallstricke reiße. Noch eins. Ich ermahne euch zum Frieden. Thuet wohl denen, die euch Böses thun. Lasset den gerechten Groll, daß das Heiligthum geschändet wurde, nicht Ihn entgelten. Will Luzian ein Luzifer werden, beweinet ihn, aber Niemand wage es, der Gerechtigkeit des Herrn der Heerschaaren vorzugreifen. Ein Jeder muß seine Haut selber zu Markte tragen, sagt das Sprüchwort; Niemand wage es, sie ihm freventlich voraus zu gerben. Vielleicht will Luzian lutherisch werden, oder will er gar die neue preußische Religion, das Gemächt von dem Bruder Schlesinger. Wir können mit Gebet und frommen Ermahnungen um die Abwehr flehen, aber Niemand wage es, seine Hand –«
»Was da?« unterbrach plötzlich eine Stimme. Heute schien alles aus Rand und Band zu gehen. Der Steinmetz Wendel fuhr fort: »Mit Verlaub, Herr Pfarrer, ich red' wegen der Schwachen im Geist, die könnten schier gar meinen, Ihr wolltet aufhetzen, statt abwehren. Nicht wahr, ihr Mannen, es ist kein ehrlicher Mann im Ort und in der ganzen Gegend, der dem Luzian das Schwarze unter dem Nagel beleidigen möcht'? Hab' ich Recht oder nicht?«
»Hat Recht. Wer will dem Luzian was thun?« scholl es aus der Versammlung, und Wendel sagte schmunzelnd:
»Nun noch ein Wort. Was ihr da wegen der preußischen Religion saget, ist auch fehlgeschossen. Wir lassen uns mit dem Worte preußisch keinen Pelzmärte mehr vormachen, das ist vorbei; der Preuß' will ja auch die Religion gar nicht, er klemmt sie ja wo er kann, der Hauptpreuß', der König, ist eher euer ....«
»Genug,« unterbrach ihn der Pfarrer, »ich wußte es in tief betrübtem Herzen, daß der Verblendete nicht allein steht, daß der Zeitungsglaube noch mehr Apostel hat. Ich rede nur noch zu euch, die ihr Christen seid; ein Jeder bete still für den Andern und suche sein eigen Herz zu reinigen. Gott mit euch.«
Schnellen Schrittes ging der Pfarrer seiner Wohnung zu, und nun stob Alles in wilder Hast auseinander.
»Wer geht mit zum Luzian?« rief Wendel noch. Dieser Ruf schien zu spät zu kommen, denn die Meisten hatten sich bereits zum Heimgang gewendet, sie schienen vorerst des Kirchenstreites satt und verspürten einen andern Hunger. Wendel ging blos von Egidi geleitet zu Luzian.
An diesem Mittage herrschte in allen Häusern eine sonntagswidrige Ungeduld. Die Männer setzten sich kaum ruhig zum Essen nieder und standen bald wieder auf, um sich mit Nachbarn und Freunden über das Vorgefallene auszusprechen. Es war nichts Neues zu holen, aber Jeder mußte doch sagen, wie es ihm zu Muthe war, und Jeder wollte das Ereigniß auf ganz besondere Weise erlebt haben; da waren Umstände, Vorahnungen und Wahrzeichen, die Niemand außer ihm kannte. Es war wie die Löschmannschaft nach einem plötzlich ausgebrochenen Brande, die sich nun in der Wirthsstube zusammen findet; man kann noch nicht in sein Heimwesen zurück, und Jeder muß berichten, wie und wo er überrascht ward, und was er als Einzelner im Gesammten vollbrachte.
Was nun zu thun sei, davon war nirgends die Rede. Sollte die müßige Selbstbespiegelung, diese Grundfäulniß im Charakter unserer Tage, sich auch hier schon eingefressen haben?
Es muß sich bald zeigen.
Ein Herz ist aufgegangen.
Schließen wir uns an Wendel und Egidi an. Wir treffen Luzian hemdärmelig hinter dem Tische sitzen heitern Blickes dreinschauend. Die Angehörigen aber standen in der Stube und auf der Hausflur, so in starrem Schmerz in sich gebannt als läge in der Kammer nebenan eine geliebte Leiche, deren ewiger Schlaf wie zu leisem Auftreten gemahnte. Die
Weitere Kostenlose Bücher