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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Schwiegertochter, die hochschwangere Frau Egidi's, hielt die Kinder behutsam zum Schweigen an; sie wußten nicht was all der stille Kummer bedeute und ließen sich's gefallen, daß sie gegen alle Hausregel kurz vor dem Mittagsessen ein Butterbrod bekamen. Das Feuer auf dem Herde war ausgegangen und schickte seine Rauchwolken in die Hausflur und in die Stube sobald sich diese öffnete; Niemand blies das Feuer an. Die Knechte und Mägde trieben sich draußen umher, alle Ordnung schien aufgelöst.
    »Willst's mithalten, Wendel?« fragte Luzian den Eintretenden, »von den Meinigen will keins an den Tisch; sie meinen, das sei mein Henkermahl, jetzt gleich nach dem Essen werde ich geköpft. Und ich sag' dir, ich habe einen weltsmäßigen Hunger, so hab' ich mein Lebtag keinen gespürt, grad wie wenn ich über's Hungerskraut gangen wär'. Ich möcht' nur wissen, ob die Hauptketzer, die den Pfaffen in's Zeug gefahren sind, auch allemal so einen Hunger gehabt haben, so einen grundrührigen. Weißt nicht?«
    »Ich hab' noch nichts davon gehört, was der Doktor Luther zu Mittag gessen hat, wie er vom Reichstag in Worms in seine Herberge heimkehrt ist,« entgegnete Wendel, Luzian die Hand schüttelnd, und dieser begann wieder: »Also du mußt mir doch auch Recht geben?«
    »Freilich, es ist genug Heu unten gewesen.«
    »Du bist halt der Wendel, du weißt, daß man die Birnen schütteln kann,« sagte Luzian aufstehend. Er ging die Stube auf und ab, in seinem Blicke, in seiner Haltung lag etwas Hoheitliches, wie wenn er plötzlich zum Feldherrn ausgerufen worden wäre und draußen harrten seiner die geschaarten Völker. Er schlug sich ruhig mit beiden Händen mehrmals auf die Brust, als wollte er die sich bäumende Kraft darin beschwichtigen. »Also wie Ein Mann muß die Gemeinde zu mir stehen,« sagte er endlich stillhaltend.
    »O Luzian!« sagte Wendel und schaute mitleidsvoll zu dem Abgewandten auf.
    »Was ist?« rief Luzian in halber Wendung sich umkehrend sprühenden Auges, »was ist? wollen sie nicht?« fuhr er in scharfem Tone fort, indem er Wendel mächtig schüttelte, als wäre dieser der Unterbefehlshaber der aufrührerisch gewordenen Truppen.
    »O Luzian!« sagte Wendel kopfschüttelnd, »lehr' mich die Menschen nicht kennen. Ich bin nur um ein Jahr älter als du, aber ich bin weit in der Welt herumkommen. Guck, da zerren und bellen sie das ganze Jahr und wenn Einer heraustritt und er packt die Niedertracht bei der Gurgel und er kommt dafür in die Patsch, hui! da ist das Kätzle auf der Mauer, da will Keiner was dabei haben, da duckt sich ein Jedes und sagt: ja warum hat er's auch so dumm angefangen? warum hat er sich so weit eingelassen? Er dauert mich – das ist noch das Höchste. Und wenn sie ja Zusammenhalten thäten, wär' ihnen geholfen, aber da denkt Keiner dran, da –«
    »Also du glaubst –« fuhr Luzian auf und seine Hand faßte krampfhaft den Sprecher.
    »Daß du allein schaffst,« fuhr Wendel fort. »Du bist ein reicher Mann, du kennst's nicht aus Erfahrung, weißt aber doch: das schwerste Geschäft ist – allein dreschen. Wenn's mehr bei einander sind, thut sich's noch so ring, es ist wie wenn der Gleichschlag den Flegel von selber heben thät. Lieber allein tanzen als allein dreschen. So ist's recht, lach' nur. Es geschieht dir auch nicht so viel. Der Pfarrer hat in der Predigt auf dich angespielt, das darf –«
    »Nichts da, davon will ich nichts,« entgegnete Luzian. »Er oder Ich. Aber du bist immer so ein Schneesieber gewesen. Laß du nur mich machen. Egidi! hol jetzt das Bäbi, es soll das Essen 'rein thun, ich muß bald fort.«
    Egidi kam nach einer Weile wieder und sagte, Bäbi sei in ihrer Kammer eingeschlossen, sie weine, gebe keine Antwort und mache nicht auf.
    »Es wird gleich da sein,« sagte Luzian, die Lippen schärfend. Die Frau hielt ihn unter der Thüre fest und rief: »Um Gotteswillen gieb doch Fried', ich will das Essen bringen.«
    »Nein, das Bäbi muß her.«
    Er machte sich los und ging die Treppe hinauf. Droben rief er: »Bäbi! mach auf!«
    Keine Antwort.
    »Bäbi, ich, dein Vater ruft.«
    Man hörte Jemand schwer sich vom Boden aufrichten; ein Riegel wurde zurückgeschoben.
    Luzian stand selbst eine Weile erschüttert beim Anblick des Mädchens.
    »Was hast? was ist? komm abi,« sagte Luzian sanft.
    »Vater, schlaget mich todt, aber ich kann mich vor keinem Menschen mehr sehen lassen,« rief Bäbi schluchzend und warf sich auf das Bett.
    »Warum? warum? Gieb Antwort, red,

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