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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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red', sag' ich.«
    »Wenn ich nur todt wäre und der Paule auch,« stöhnte Bäbi endlich.
    »Bäbi!« fuhr Luzian auf, die Haare standen ihm zu Berge, es überrieselte ihn eiskalt, »Bäbi, ich will nicht hoffen, daß es Eil' hat mit deiner Hochzeit; Bäbi, ich erwürg' dich jetzt da gleich,« fuhr er zitternd fort, »wenn's an dem ist. Soll der Pfaff sagen: so geht's bei dem Gottlosen her und so sind seine Kinder? Bäbi, red' oder ich weiß nicht was ich thu'.«
    »Vater! Ich mach' Euch kein' Schand,« erwiderte Bäbi.
    Unwillkürlich hatte sie das Wort Ich so scharf betont, daß es Luzian durchzuckte; er hielt an sich und plötzlich kam eine seltsame Wandlung über ihn. Blitzschnell kam ihm der Gedanke, daß er seinem Kinde Unrecht thue, weil er selber in Wallung war. Er schalt sich, daß er seinen Zorn an dem unschuldigen Kinde auslasse und er sagte: »Verzeih mir Bäbi, ich hab' dir Unrecht than – ich will keinem Menschen Unrecht thun, sonst bin ich verloren,« sprach er wie zu sich selber und fuhr dann fort: »Bäbi, dein Vater macht dir auch kein' Schand.«
    Diese letzten Worte sprach er wie mit stockender Stimme, so daß Bäbi allen Kummer aus dem Antlitz wischte und wie erhoben zu ihm aufschaute.
    Wie rasch schossen hier die Empfindungen hin und wieder. Bäbi wäre gern niedergekniet vor dem Vater, der sich so vor ihr demüthigte.
    Man muß sich die machtvollkommene, über Widerspruch und Einrede erhabene Stellung des Vaters im Bauernhause vergegenwärtigen, um zu ermessen, was es heißt, daß Luzian sich seinem Kinde wie ein Büßender gegenüberstellte. Ist es schon in anderen Kreisen für einen abgeschlossenen in sich ruhenden Charakter schwer, sich zu beugen, Irrthum, Fehl und Uebereilung offen zu bekennen, umgeht man gern das Geständniß in Worten und will solches stillschweigend aus der nachfolgenden That erkennen lassen – wie unsäglich mehr war solche rasche Reumüthigkeit für den Vater hier. Das empfand Bäbi und es that ihr tief wehe, daß sie den Vater so niedergedrückt hatte.
    Heischt man auch im augenblicklichen Unmuthe oft ein merkliches Reubekenntniß, so wird doch ein edles Gemüth die Beugung rasch aufheben und möchte lieber sich selbst niederwerfen und um Verzeihung flehen, daß man es so weit getrieben.
    Wie vieler an Ton und Zeichen gebundener Worte bedarf es, um dem unendlich raschen Fluge der Empfindung schwerfällig nachzugehen.
    Vater und Tochter standen hier einander gegenüber und in ihrer Haltung schien nichts erkennbar von der Weichmüthigkeit, dem sanften Fassen und Heben in ihrem Geiste.
    Der Blüthenkelch eines Menschengemüthes öffnete sich, das, wer weiß wie lange noch, verschlossen in sich geruht hätte.
    Bäbi erkannte nur einfach, daß sie ihrem Vater helfen und beistehen müsse, statt ihn zu härmen; und schwingt sich ein Herz über das eigene Leid hinaus und sucht fremdes zu heilen, so ist die Erlösung gefunden.
    Zum erstenmale in ihrem Leben wagte es Bäbi, die Hand ihres Vaters zu fassen; dann sagte sie: »Kommet, ich will das Essen auftragen.«
    Victor ward herbeigerufen und sprach das Tischgebet. Luzian hörte zu, als vernehme er's zum Erstenmale, er schien jedes einzelne Wort in seinen Gedanken zu prüfen.
    Wie er verkündet, so war's. Luzian hatte in der That einen weltsmäßigen Hunger, wie er's genannt hatte; er war dabei überaus heiter und wohlgemuth. »Mich freut das Essen und ich thue ihm seine Ehr' und Respect an, ich mein' das war' der beste Dank gegen Gott,« sagte er einmal. Niemand antwortete. Die Frau schöpfte sich auch heraus, aber sie aß nicht. Egidi war eben so lautlos.
    Bäbi betrachtete den Vater immer mit freudestrahlendem Antlitze, als hätte er ihr eben erst das Köstlichste und Herrlichste geschenkt. Niemand ahnte was in dem Mädchen vorging und selbst Luzian wußte nicht, welch eine Wunderblume neben ihm aufgesprossen war. Bäbi, die es sonst nie gewagt hatte, bei Tische im Beisein des Vaters ungefragt ein Wort zu reden, sagte jetzt, lange nachdem der Vater gesprochen hatte: »Ja Vater, lasset Euch nur nichts zu Herzen gehen.«
    »Sei ohne Sorg', es geschieht mir nichts an Leib und Leben,« erwiderte Luzian staunend, »aber jetzt halt' der Ahne das Essen warm und paß auf, daß es nicht anbrenzelt.«
    Die Ahne war nämlich bald nach der Morgenkirche in der Kammer eingeschlafen. Luzian schöpfte ihr bei Tische zuerst und das Beste heraus.
    Bäbi ging immer ab und zu, sie verkostete keinen Bissen, es kam ihr fast sonderbar vor, daß

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