Schwarzwaelder Dorfgeschichten
gesagt, ich soll still sein, es geschieht Niemand nichts, der fromm ist und zu den Heiligen betet. Nun müsset Ihr noch wissen, daß in einer früheren Stunde einmal die Bank knackt hat und da hat der Pfarrer gesagt, das wär' der Teufel, der die Bank knacksen macht, damit wir nicht aufpassen auf die guten Lehren; der Teufel treibe allerlei Possen, damit man an andere Sachen denkt. Jetzt wie der Pfarrer gerade red't, macht des Wendels Maurizle, der vor mir sitzt, die Bank knacksen und sagt so leislich: der Teufel ist wieder im Spiel. Der Pfarrer hat aber nichts davon gemerkt und hat uns befohlen, jeden Abend beim Einschlafen und jeden Morgen beim Aufwachen ein Gebet für die armen Sünder zu beten und des Wendels Maurizle hat in der Bank vor mir gesagt: ich kann für keinen Andern beten, das muß er selber thun. Wenn ich für einen Andern bet', kann ich auch für ihn essen. Jetzt hat der Erste das Gebet an die Tafel schreiben müssen, wie's ihm der Pfarrer vorgesagt hat und wir haben's Alle abgeschrieben; da steht's auch auf meiner Tafel, es ist aber fast ganz ausgelöscht.«
Victor hob die Schiefertafel auf und zeigte sie vor.
»Victor! Wie bist denn zum Raufen kommen?« fragte Luzian.
»Jetzt wie die Schul' aus ist, da schreien sie Alle auf mich 'nein: morgen hast du keinen Aehni mehr, den holt der Teufel und so. Des Wendels Maurizle hat mir aber gesagt: der Pfarrer weiß auch nicht Alles. Gestern Nacht hab' ich noch gehört, wie mein Vater zum Schmied sagt: der Luzian ist doch braver als alle Pfarrer. Und jetzt sind alle Buben auf mich 'nein und haben geschimpft: Teufelsenkele! und da hab' ich des Hannesen Christoph einen Tritt geben, er muß ihn noch spüren, und da sind sie auf mich los, aber der Maurizle ist mir beigestanden, und sie haben doch auch ihr Theil kriegt, bis der Lehrer kommen ist. Da, da hab' ich noch den Stein, den mir eines an den Kopf geworfen hat; den zeig' ich dem Pfarrer.«
Victor zeigte das Genannte vor und Luzian sagte:
»Victor, schmeiß den Stein weg; von heut' an, hörst du? gehst du nicht mehr in die Schul'. Hörst du? Und wenn dich Eins fragt warum? da sagst du, ich hab's gesagt.« Am Fenster stehend sprach dann Luzian vor sich hin: »Ich bin doch ein schlechter Kerle, daß ich nicht die Axt nehm' und dem Pfarrer das Hirn einschlag'.«
Kaum war dem Victor das weiße Tuch um den Kopf gebunden, als er behend auf die Straße sprang und jubelnd seinen Kameraden verkündete, daß er nun gar nicht mehr in die Schule gehe.
Heute hatte Luzian keinen »weltsmäßigen Hunger,« obgleich ihm die Frau aus dem aufgefundenen Schatze Rühreier gemacht hatte.
Die Pferde waren im Felde, Luzian ging zu Fuße nach der Stadt.
Als er sich dem Pfarrhause näherte, sah er wie die Fenster aufgerissen wurden, mehrere Geistliche drängten sich in denselben und Luzian hörte hinter sich rufen: »der ist's.«
Luzian geht so langsam, daß wir wohl einen Seitensprung hier in das Pfarrhaus machen können. Wir wollen uns nur so lange aufhalten als man einem Vogel am Wege zuhört.
Fünf nachbarliche Amtsbrüder hatten ihren streitenden Genossen heimgesucht; sie hatten sich's wohl munden lassen, das bezeugte die Zahl der Flaschen auf dem Tisch, die die Zahl der Köpfe überstieg; der jüngste Amtsbruder, der die Würde am wenigsten zu achten schien, war in Hemdärmeln, möglichst aufgeknöpft waren Alle. Eine alte Magd brachte den Kaffee, der Ortspfarrer zündete ein Licht an und reichte Cigarren.
Wer je in einer Gesellschaft abschließlicher Leutenants war, wie sie etwa in der Wachtstube unter sich über einen kecken Civilisten losziehen, der da und dort ihre Standesehre und allseitig nothwendige Uebermacht in Wort und That zu erschüttern wagte – wir sind hier bei anders Uniformirten in gleicher Gesellschaft.
»Fridolin,« sagte der Jüngste, Hemdärmelige zum Ortspfarrer, indem er sich über den Tisch bog und die Cigarre anbrannte, »Fridolin, sei froh, daß du einen solchen Häretiker oder Apostaten unter der Gemeinde hast. Du kannst Kirchengeschichte an ihm studiren.«
»Laß ihn laufen,« rief ein Anderer, »wie der Baron Felseneck einen emballirten Hammel bei seiner Heerde laufen hat, damit er weiß, welche Schafe bocken wollen.«
Man lachte über diesen Vergleich bis ein Gefährte mit hochblonden, rothen Löckchen begann: »Ich bleib' dabei, Fridolin, du verfehlst es besonders, weil du ein Aristokrat bist, politisch unfrei. Abgesehen von der Zeitund Vernunftwidrigkeit deiner politischen Ansicht
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