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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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an? Wacht auf, faßt ein Herz und seid frei! Wenn ich nur auf einen einzigen Tag Allen die Augen aufmachen könnte. Freilich, der Wendel hat Recht, ich hab' das Beil zu weit 'naus geworfen. Ich hab' nicht anders können. So ist's.«
    Wie man berichtet, so wird gerichtet, sagt ein inhaltreiches Sprüchwort; darum wollte Luzian heute kein Hinderniß anerkennen, er mußte nach der Stadt, um selber seine Sache vorzubringen.
    In der Oberamtei mußte er lange warten ehe er den Amtmann sprechen konnte. Er wurde freundlich begrüßt und gebeten, übermorgen wieder zu kommen.
    »Ich hab' wollen« – sagte Luzian.
    »Ich weiß schon Alles, der Steinmetz Wendel war heute in aller Frühe da und hat mir den ganzen Hergang erzählt; kommen Sie von übermorgen an wann Sie wollen, auch außer den Amtsstunden.«
    »Nur noch ein Wort,« sagte Luzian, »ist mein' Sach' criminalisch?«
    »Keineswegs. Sie brauchen auch keinen Advocaten, es ist reine Polizeisache. Entschuldigen Sie –« und fort wischte der Oberamtmann wieder.
    »Es soll aber criminalisch sein!« sagte Luzian vor sich hin, als der Amtmann schon längst verschwunden war. Dann verließ er, schwer den Kopf schüttelnd, die Oberamtei.
    Wir werden wohl später erfahren, was Luzian mit seinem absonderlichen Gelüste wollte; jetzt war es ihm nur überlästig, daß er wieder Tage warten und still herumlaufen sollte, ohne daß Etwas geschah. Auf dem Heimweg schlug er oft mit den Armen um sich, aber wo war's? was sollte er fassen?
    Auf das theilnehmende Herz und den hellen Geist des Oberamtmanns hatte Luzian viele Hoffnung gesetzt. Das gestand er sich jetzt erst, als er so leer wie er gekommen war, davon ging. Warum hat er auch nicht ein ermunterndes, muthiges Wort gesprochen?
    Ein Herz, das die Folgenschwere eines Ereignisses oder einer freien That in sich trägt, verlangt oft zu sehr nach Handreichung, aber die Menschen um dich her sind Alle mit sich und tausend anderen Dingen beschäftigt, sie sehen und verstehen deinen bittenden Blick nicht. Erwarte keine Hülfe von außen, sei stark in dir.
    Luzian kehrte nicht mehr die Straße heimwärts, er ging den Waldweg; dort war es still und feierlich, und seine Gedanken beteten inbrünstig zu Gott, daß ihn die Kraft nicht verlassen möge, die ganze volle Wahrheit zu bekennen und ihr Alles zu opfern. Gern hätte er ein Gebet in Worten gehabt, aber er fand keines.
    Tief im Waldgrunde sang ein Bursch, der wohl neben einem beladenen Holzwagen herging, ein »einsames« Lied. Luzian stand still horchend:
     
    O Bauerensohn, laß die Röslein stehn,
    Sie sein nicht dein,
    Du trägst noch wohl von Nesselkraut
    Ein Kränzelein.
     
    Das Nesselkraut ist bitter und sau'r
    Und brennet mich;
    Verloren hab' ich mein schönes Lieb,
    Das reuet mich.
     
    Es reut mich sehr und thut mir
    In meinem Herzen weh,
    Behüt' dich Gott, mein holder Schatz!
    Ich seh' dich nimmermehr.
     
    Zwischen jeder Strophe knallte der Bursch mit der Peitsche, daß es weithin widerhallte. War das nicht die Stimme Paule's, der also sang? Was hatte der zu klagen? Nein, der kann's wohl nicht sein ...
    Im Weitergehen dachte Luzian: »Der Bursch hat das Lied auch nicht selber gesetzt, und es erleichtert ihm doch das Herz; so auch hat der eine Mensch Gebete für andere gemacht.«
    Die zahllosen Gebetbücher entstanden und waren gerechtfertigt vor dem Geiste Luzians.
    Still und gedankenvoll schritt er dahin, es begegnete ihm Niemand.
    Das Gewitter vom vorletzten Sonntag hatte sich hieher verzogen und auch hier noch arg gehaust; da war ein Baum ganz entwurzelt, dort ein anderer mitten gespalten wie zerfleischt, und dort hingen abgeknackte Aeste, selbst die jungen Schäleichen waren in zahlloser Menge zu Boden gebeugt, der Fußsteig war oft unwegsam. Hinter Neuensteig umging Luzian eine gewaltige Eiche, die quer über dem Weg lag; er gerieth dadurch in einen Sumpf, wo Erlen standen und rettete sich nur mit schwerer Mühe daraus.
    Kaum war Luzian wieder hundert Schritte auf trockenem Wege, da begegnete ihm ein Mann; es war der uns bekannte, Rollenkopf genannte Pfarrer. Man begrüßte sich beiderseits mit einem »guten Tag« und ging an einander vorüber. Luzian stand bald still. Sollte er den Pfarrer nicht vor dem Sumpf warnen? Der Pfarrer überlegte gleichfalls bei sich, ob er nicht den Häretiker, den er wohl wieder erkannt hatte, ansprechen und ein gutes Wort beibringen sollte. Plötzlich rief Luzian: »Heda!« Hinter dem Ruf tönte es wie ein Echo, und doch war's keines, denn

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