Schwarzwaelder Dorfgeschichten
dem Kopfe, mit den lederbesetzten Reithosen angethan, das Dorf hinaufging, da sagte sein ganzes Wesen: »ich weiß, daß sich alle Mädle in mich vergucken;« oder wenn er seine Pferde zur Tränke an des Jakoben Brunnen ritt, da wollte dem guten Aloys fast das Herz springen, weil er sah, wie das Marannele jedesmal zum Fenster hinauslugte. Er wünschte, daß es gar keine Milch und Butter auf der Welt gäbe, damit er auch Pferdsbauer wäre.
So unerfahren auch unser Aloys war, so waren ihm doch die Unterschiede der drei Stände wohl bekannt. Da standen zu unterst die Kühbauern, die von ihren Zugthieren auch noch Milch und Kälber ziehen müssen; dann kamen die Ochsenbauern, deren Zugthiere man doch noch mästen und schlachten kann, zu oberst aber standen die Pferdsbauern, deren Zugthiere weder Milch noch Fleisch geben, und die doch das beste Futter fressen und oft am meisten gelten.
Ich glaube nicht, daß Aloys hiebei an den Nähr-, Lehr- und Wehrstand dachte.
Heute am Neujahrstag zeigte sich ein Vorsprung, den der Jörgli als Pferdsbauer hatte. Er führte nach der Morgenkirche des Schultheißen Tochter und ihr »Gespiel«, das Marannele, im Schlitten nach Empfingen spazieren, und so sehr auch unserm Aloys darüber das Herz im Leibe zitterte, so folgte er doch dem Wunsche des Jörgli und half ihm die Pferde einstweilen im Schlitten einprobieren. Er fuhr mit ihm im Dorfe umher und dachte nicht daran, welch eine schlechte Figur er neben dem stattlichen Soldaten ausmachte. Als die Mädchen eingestiegen waren, führte Aloys die Pferde noch einige Schritte, bis sie recht angezogen hatten, rannte so neben den Pferden her und ließ sie dann los. Und als darauf der Jörgli unter Peitschenknallen und Rollengeklingel und dem Zuschauen der halben Gemeinde mit den beiden Mädchen dahinfuhr, da schaute ihnen Aloys noch lange nach, als man sie längst nicht mehr sehen konnte; er schalt dann den dummen Schnee, der ihm das Wasser aus den Augen trieb, und ging traurig nach Hause. Es war ihm, als ob das ganze Dorf ausgestorben wäre, da das Marannele den ganzen Tag darin nicht zu finden sein sollte.
Ueberhaupt war Aloys schon seit dem Beginne dieses Winters oft sehr betrübt. Im Hause seiner Mutter kamen die Mädchen oft in die Karz, oder wie man es hier nennt, »zu Licht«. Die Mädchen wählen zu diesen abendlichen Zusammenkünften immer am liebsten eine jung verheirathete Gespielin oder eine freundliche Witwe; die älteren Hausherren stören das harmlose Treiben doch zu sehr. So kamen die Mädchen auch oft zur Mutter Marei, und die Bauernburschen kamen wie immer uneingeladen dazu. Früher hatte sich Aloys gar nicht daran gekehrt, wenn man sich nicht um ihn kümmerte, er saß in einer Ecke und – that gar nichts; jetzt sagte er sich immer in Gedanken: »Aloys! beim Teufel, du bist doch jetzt neunzehn Jahre vorbei, du mußt dich jetzt auch vornhin stellen,« und dann sagte er wieder: »wenn nur der Teufel den Jörgli lothweise holen thät'.« Der Jörgli war das Endziel seines Unmuthes, denn er hatte bald, unerachtet er ein Knecht war (wie das überhaupt hier wenig Unterschied macht), die Oberhand über alle Burschen des ganzen Dorfes gewonnen, und sie mußten alle nach seiner Pfeife tanzen; und wie prächtig konnte er ihnen pfeifen und singen und jodeln und Geschichten erzählen wie ein Hexenmeister. Er lehrte die Burschen und Mädchen neue Lieder und besonders das Reiterlied: »Morgenroth u.s.w.«
Als er zum erstenmal den Vers sang:
»Thust du stolz mit deinen Wangen,
Die wie Milch und Purpur prangen,«
da stand der Aloys plötzlich hoch auf, er schien größer wie sonst, er ballte die beiden Fäuste und biß die Zähne vor innerer Freude knarrend auf einander. Es war, als ob er das Marannele mit seinen Blicken an sich zöge, als ob er sie erst jetzt recht sähe, denn gerade so wie es im Liede stand, sah sie ja aus.
Die Mädchen saßen im Kreise, ein jedes hatte seine Kunkel 3 mit dem goldschaumbedeckten Knaufe vor sich stehen, an der der Hanf mit einem farbigen Bande befestigt war; sie netzten den Faden aus ihrem Munde und spannen mit der Spindel, die sich lustig auf dem Boden drehte. Es war dem Aloys immer wohl, wenn er »etwas zum Annetzen«, eine Schüssel voll Aepfel oder Birnen für die Mädchen auf den Tisch stellen konnte, und er stellte die Schüssel immer nahe zu Marannele, damit sie auch tapfer zugreifen konnte.
Anfangs Winter that Aloys den ersten muthigen Schritt seiner Großjährigkeit. Das Marannele
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