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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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hatte eine neue mit Zinn eingelegte schöne Kunkel bekommen. Als es nun zum erstenmale damit in die Spinnstube kam und sich zum Spinnen gesetzt hatte, trat Aloys vor, erfaßte die Kunkel oben und sagte den alten Spruch:
     
    »Jungferle, derf i eu' bitte:
    Lent 4 mi euere Engerle 5 schüttle,
    Die kleine wie die große
    Auf dere Jungfere Schooße.
    Jungfer, warum seind ihr so stolz?
    Eure Kunkel ischt doch nau von Holz,
    Wenn sie wär' mit Silber b'schlage,
    No wett 6 i eu' was anderes sage.«
     
    Mit einer ungewohnten Festigkeit, wenn auch mitunter mit Zittern, hatte Aloys den Spruch vorgebracht. Das Marannele schlug zuerst die Blicke in den Schoß aus Scham und aus Angst, der Aloys möchte in seiner Rede stecken bleiben; jetzt aber sah es ihn mit glitzernden Augen an. Nach alter Sitte ließ es darauf Spindel und Wirtel auf den Boden fallen, der Aloys hob beide Gegenstände auf und das Marannele mußte ihm für die Spindel ein Knöpfle 7 und für den Wirtel 8 ein Fastnachtsküchle versprechen. Das Beste aber kam zuletzt. Aloys gab die Kunkel frei, und als Ablosung gab ihm das Marannele einen rechtschaffenen Kuß. Der Aloys schmatzte so laut, daß man ihn in der ganzen Stube hörte und die andern Burschen ihn darum beneideten; er aber setzte sich wieder in eine Ecke, rieb sich die Hände und war mit sich und der Welt zufrieden. Das dauerte aber nicht lange, denn der Jörgli war sein Störefried.
    Eines Abends bat der Jörgli das Marannele – das die erste Vorsängerin in der Kirche war – das Lied vom »schwarzbraunen Mädichen« zu singen. Es begann ohne langes Zaudern, und der Jörgli setzte die zweite Stimme mit so kräftigem Wohllaute ein, daß alle Anderen, die anfangs mitgesungen hatten, nach einander stille wurden und den beiden zuhörten, die so schön sangen. Marannele, das sich von den Gefährtinnen verlassen sah, sang anfangs mit zitternder Stimme und stieß die andern neben an, doch mit weiter zu singen; als ihm aber Niemand folgte, sang es keck weiter, als könne es gar nicht aufhören, und es war, als ob die Stimme Jörgli's es frei und fest emporhielte wie gewaltige Arme. Sie sangen:
     
    Es sind zwei Sternlein am blauen Himmel,
    Glänzen heller als der Mond!
    Einer scheint auf's schwarzbrauns Mädichen,
    Einer scheint auf grünen Grund.
     
    Jetzt lad' ich meine zwei Pistolen,
    Thur vor Freuden einen Schuß,
    Meinem Schätzelein zum Gefallen,
    Weil es mich geliebet hat,
    Vor allen meinen Feinden zum Verdruß.
     
    Geh' ich 'naus auf fremde Straßen,
    Schönster Schatz, vergiß nicht mein;
    Und wann du trinkst ein Gläslein Weine
    Zur Gesundheit mein' und deine,
    Weil ich von dir scheiden muß.
     
    Morgens fruh müssen wir marschiren
    Wohl zum obern Thörle 'naus;
    O du wunderschöns schwarzbrauns Mädichen,
    Wohl zum obern Thörle 'naus.
     
    Kauf ich ein Bändelein an meinen Degen
    Und ein Sträußelein auf meinen Hut,
    Und ein Tüchelein in meine Taschen,
    Meine Aeugelein abzuwaschen
    Weil ich von dir scheiden muß.
     
    Gib ich meinem Pferd die Sporen,
    Reit ich zu dem Thor hinaus,
    Gib ich Acht auf's schwarzbrauns Mädichen,
    Weil ich von ihm scheiden muß.
     
    Als ein jedes der Mädchen seine vier bis fünf Spindeln voll gesponnen hatte, wurde der Tisch in die Ecke gerückt, und auf dem freien Raume von kaum drei bis vier Schritten, den man dadurch gewonnen, begann nun eines nach dem andern zu tanzen; die Sitzenden sangen den Anderen dazu. Als der Jörgli mit dem Marannele tanzte, sang er selber einen Ländler und tanzte dabei wie eine Spindel; ja, er brauchte fast nicht viel mehr wie eine Spindel, denn er behauptete: darin zeige sich ein echter Tänzer, daß man sich auf einem Teller gewandt und flink drehen könne. Als er nun endlich mit dem Marannele einhielt und es dabei nochmals so heftig schwenkte, daß der faltige Rock hoch aufwallte, da ließ ihn das Marannele schnell stehen, wie wenn es sich vor ihm flüchtete, es sprang in die Ecke, wo der Aloys trübselig zuschaute und seine Hand fassend, sagte es:
    »Komm, Aloys, du mußt auch tanzen.«
    »Laß mich, du weißt ja, daß ich nicht tanzen kann. Du willst mich nur foppen.«
    »Du Tol –« sagte Marannele, es wollte: du Tolpatsch sagen, aber es hielt schnell inne, denn es sah sein Gesicht, auf dem die Wehmuth ausgegossen war, daß ihm das Weinen näher stand als das Lachen, es sagte daher freundlicher: »nein, g'wiß nicht, ich will dich nicht foppen; komm, und wenn du auch nicht tanzen kannst, so mußt du's lernen, und ich tanz' so

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