Schwarzwaelder Dorfgeschichten
verdrossen nach der Stadt, wo sie erst gegen Morgen ankamen. Der junge Kübler zog seinem Vater die Gefängnißschlüssel unter dem Kopfkissen weg, führte den Waldhornwirth die Treppe hinauf, öffnete die Zelle Diethelms, und jetzt standen Beide vor dem grimmig Fluchenden, der sie nicht alsbald erkannte. Als sie sich zu erkennen gaben und Kübler triumphirend berichtete, daß er nach den Andeutungen Diethelms den Vetter geholt habe, rieb sich Diethelm mehrmals die Stirn und fuhr dann zornig auf:
»Verfluchtes blitzdummes Gethue! Kübler, was habt Ihr gemacht? Ihr bringt mich nur in neue Ungelegenheit. Ich bin freigesprochen, Alles liegt sonnenklar am Tag und jetzt wenn's heraus kommt, und es kommt gewiß heraus, daß Ihr meinen Vetter zu mir gebracht habt, wird das wieder einen Verdacht auf mich werfen und es geht neu an's Protokolliren, und ich kann noch Tage und Wochen da hocken müssen und Euer Vater kann seinen Dienst verlieren. Aber mich geht's nichts an und wenn's darauf ankommt, ich kann's nicht anders machen, ich kann's beschwören und ich thu's, daß ich Euch das nicht angelernt und nichts davon gewollt hab'.«
Der junge Kübler stand wie vom Blitz getroffen, er hatte mit Klugheit Dank und Lohn zu erwerben geglaubt und mußte sich nun ausschelten lassen und fast noch bitten, daß man ihn nicht verrathe.
Diethelm rieb sich vergnügt die Hände, er war stolz auf sich, mitten aus dem Schlaf geweckt hatte er seine Besinnung behalten und gegen zwei Menschen, deren er bedurfte, sich so gestellt, daß sie ihm dienen mußten, ohne ihn dafür irgendwie in der Hand zu haben. Es durfte Niemand geben, der nicht an seine Unschuld glaubte, oder gar Grund und Beweis gegen ihn habe; dürfte das sein, so wäre ja Alles mit Medard umsonst ... Einlenkend reichte er nun dem Vetter die Hand und sagte:
»Thut mir leid, daß du dir so viel unnöthigen Brast machst, und Ihr habt's auch gut gemeint, Kübler, das weiß ich wohl und bin auch erkenntlich dafür, wenn ich's auch nicht brauch'. Ich mein' Vetter, es wär' am besten wir reden gar nichts, ich hab' dir ja nichts zu sagen und du kannst ruhig vor Gericht auslegen was du weißt.«
Der junge Kübler betheuerte wiederholt seine Wohlmeinenheit und der Vetter sagte:
»Ja, ich kann mich mit Teufels Gewalt aber nicht mehr besinnen, was Ihr zu dem Buben gesagt habt.«
»Kann mir's denken,« lachte Diethelm, »wenn du von deinem Uhlbacher ferndigen trinkst, vergißst du leicht, daß du Frau und Kinder daheim hast, geschweige was anders, und dann hast noch Kirschengeist darauf gesetzt, das thut nie gut. Laß mir aber von deinem Uhlbacher noch was übrig bis ich heimkomm, und da der Kübler muß in Buchenberg Hochzeit machen, ich zahl' Alles und da trinken wir das Faß voll aus. Ja, was hab' ich sagen wollen? Ich hab's ganz vergessen.«
»Von wegen dem Buben,« bedeutete der Vetter.
»Richtig,« nahm Diethelm unbefangen auf, »besinn' dich nur, du mußt noch wissen, daß ich dem Buben deutlich gesagt hab', der alt' Schäferle soll zu seinem Medard 'naufgehen, er müss' daheim bleiben und leide an seinem Beinbruch.«
»Vom Beinbruch, ja, das erinner' ich mich, das hab' ich deutlich gehört, guck, das fällt mir jetzt ein, das ist das Wahrzeichen,« frohlockte der Vetter und rieb sich immer die linke Seite der Stirne als weckte er ein Organ der Erinnerung.
Diethelm lächelte in sich hinein, daß der Vetter gerade dessen sich erinnerte, was er erst vor Gericht zu seinem eigenen Schrecken noch hinzugesetzt; er fuhr aber leichthin fort:
»Dann wirst dich auch an alles Andere erinnern und daß ich mein' Fränz hab' holen wollen, damit mein' Frau nicht so allein ist, wenn ihre Stieftochter stirbt; aber ich brauch' dir ja nichts sagen, du weißt Alles allein und sag' du's nur frei.«
So fuhr Diethelm fort und wußte nach und nach in der harmlosesten Weise dem Trompeter sein Stücklein auf Noten zu setzen, daß es eine Art hatte.
Der junge Kübler drängte zur Trennung, da es Tag zu werden begann. Diethelm reichte Beiden wohlgemuth die Hand und der Vetter entschuldigte sich noch, daß er sich nicht gleich auf Alles besonnen habe; der Schrecken beim Brand habe ihm Alles weggescheucht, aber jetzt wisse er jedes Wort. Diethelm sah dem Vetter scharf in's Gesicht, um zu erkunden, ob ihn der ausgefeimte Schelm nicht verhöhne, aber der Vetter sah in der That mitleidig und treuherzig drein. Als die Beiden fort waren, streckte Diethelm die Zunge hinter ihnen heraus und sprach dann in sich
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