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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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hinein: neun Zehntel der Menschen sind nichts als Hunde und Papageien, sie reden und thun wie man sie's anlernt, und schwören dann Stein und Bein, daß das aus ihnen selber käm'. Alle die oben dran sind und über Andere herrschen, verstehen nur die Kunst, die Menschen glauben zu machen was ihnen gut dünkt, und je mehr das Einer vermag, um so größer ist er und führt die Welt am Narrenseil herum.
    Mit einem erhabenen Heldengefühle legte sich Diethelm abermals zum Morgenschlafe nieder. Als die Stadtzinkenisten wieder bliesen, suchte er sich zu bereden, daß das eine Musik zu seiner Unterhaltung sei und pfiff unausgesetzt ihre Melodien nach.
    Diethelm glaubte schon am heutigen Tag freigelassen zu werden, aber vergebens. Er wurde Nachmittags noch einmal zum Verhör geführt, der Trompeter hatte richtig sein Stücklein getreu abgespielt, aber es war doch ein Ton darin, der Diethelm noch viel zu schaffen machte, nämlich die Kunde von seinem heftigen Weinen bei der Nachricht vom Tode der Stieftochter und seine rasche, unmotivirte Umkehr. Diethelm hatte hieran wohl gedacht und hätte dem Vetter gern Weisung gegeben, aber er wußte nicht wie er das verdachtlos bewerkstelligen sollte und hoffte auch, daß davon gar keine Rede sein würde. Anfangs schwankend, dann aber immer sicherer erklärte Diethelm, daß er den Tod seiner Stieftochter nicht so bald erwartet habe und nun heimgeeilt sei, um seine Frau nicht ganz allein zu lassen und die Fränz später holen zu lassen. Befragt, warum er dann nicht nach dem Kohlenhof gefahren sei, erklärte er zuerst: er habe sich das nicht so klar gemacht, er sei vom Schreck zu sehr ergriffen gewesen; dann aber setzte er hinzu, er habe erwartet, seine Frau sei gleich nach dem Tode heimgekehrt und er habe sie dort trösten wollen. Weiter befragt, wie es komme, daß der Tod seiner Stieftochter ihn so furchtbar ergreife, sah er eine Weile scheu vor sich nieder, dann erhob er sein Antlitz und sagte:
    »Ich hätt' nicht geglaubt, daß man mich das fragen darf, aber ich seh' schon, wer einmal, und sei er noch so unschuldig, in Verdacht steht, muß auf Alles antworten. Nun denn so sei's,« er athmete tief auf und fuhr dann fort: »So wisset denn ... ich hab' vor zweiundzwanzig Jahren mein' Stieftochter gern gehabt und hab' sie heirathen wollen, aber mein' Frau hat's nicht zugeben und hat mich lieber selbst genommen.«
    Eine Pause entstand, der Actuar schrieb, und der Richter, betroffen von dem schmerzvollen Ton Diethelms, hielt eine Weile mit Fragen inne. Diethelm aber fühlte einen innern Schreck, als ob man ihm ein Stück aus dem Herzen reiße, es däuchte ihn als schände er seine Hausehre und alle Schamhaftigkeit, da er auch dieß dem Protokolle anvertraute; er hatte so sorglich seine Hausehre gewahrt und jetzt hatte er sie preisgegeben und noch dazu mit einer gräßlichen Lüge, denn die Kohlenbäuerin war schon seit Jahren nicht mehr für ihn auf der Welt. Diethelm fühlte jetzt zum Erstenmal, wie das Verbrechen keinen reinen Fleck an dem Menschen läßt, wie es Alles mit sich hinabzerrt; er erhob den Blick lange nicht, es war ihm, als stände seine Frau vor ihm und er könnte sie nicht anschauen. Hätte er erst gewußt, daß er sie auf demselben Stuhle verrieth, auf dem sie ihm zu Liebe ihr Gewissen geopfert!
    »Das thut mir am wehesten, daß ich das hab' sagen müssen,« rief er endlich mit tiefschmerzlichem Tone. Der Richter beruhigte ihn, daß das Niemand erführe, er war aber Inquirent genug, die weiche Stimmung Diethelms zu benützen, und mit veränderten Fragen noch einmal das ganze Verhör von vorn zu beginnen. Schlag auf Schlag gingen die Fragen. Der alte Schäferle war diesen Vormittag auch wieder im Verhör gewesen und im Schmerz um den Tod seines Sohnes, den er rächen zu müssen glaubte, hatte er sich kein Gewissen daraus gemacht, seinen Aussagen eine noch entschiedenere Fassung zu geben, und daß Medard geradezu die Woche bezeichnet, die Diethelm ausdrücklich zur Brandstiftung festgesetzt habe, wenn es ihm gelänge, seine Frau aus dem Hause zu bringen. Der alte Schäferle hoffte, daß es vielleicht gelingen werde, Diethelm zu einem Geständniß zu überrumpeln, wenn man ihm bestimmte Thatsachen vorhielt, und Gleiches erwartete auch der Richter. Diethelm merkte bald was vorging und war wiederum schnell gewaffnet und berief sich in den meisten Antworten einfach auf seine gestrigen Aussagen.
    Nicht mehr stolz, innerlich geknickt, saß Diethelm in seinem Gefängniß; er merkte

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