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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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wohl, daß sich ein Punkt aufgethan, von dem er in den Grund gestürzt werden konnte. Jetzt bat er den jungen Kübler, der in der Wartung der Gefangenen seinem Vater beistand, ihm noch eine Unterredung mit dem Waldhornwirth zu verschaffen; aber der junge Kübler war dessen eingedenk, wie Diethelm ihn mit Undank angefahren und sogar gedroht hatte, ihn zu verrathen; er blieb trotz aller Schmeichelworte unerbittlich und Diethelm, dessen Furcht vor einem Mitwisser noch größer war als die vor dem Gericht, fand sich endlich drein, Alles geschehen zu lassen wie es sich von selbst machte, ja es gab Zeiten, in denen er so zerknirscht war, daß er die Entdeckung wünschte, nur um dieser schwebenden Qual enthoben zu werden. So zerknirscht er aber auch in der Einsamkeit des Gefängnisses war, so kampfgerüstet und fest erschien er jedesmal vor dem Richter; schon die Stimme desselben erweckte ihn zu Muth und Trotz und bald zeigte sich, daß die ursächlichen Verbindungen zwischen allem Geschehenen nur ihm klar waren, den Anderen zerfiel Alles zusammenhanglos.
    Dieß stellte sich besonders heraus als der Amtsverweser die Fortführung der Untersuchung dem neu bestallten Richter übergab. Man hatte geglaubt, daß ein neuer in Criminalsachen gewiegter Mann Diethelm verblüffen und verwirren würde; aber gerade das Gegentheil war eingetreten: dem fremden Manne gegenüber, der ihn nie weich gesehen hatte, fühlte sich Diethelm doppelt stark, und bei manchen Fragen zeigte Diethelm sein Uebergewicht, indem er sagte: das hab' ich im Protokoll von dem und dem Datum schon angegeben; seine Gewandtheit im Kopfrechnen kam ihm jetzt in anderer Weise zu statten. Diethelm dachte gar nichts mehr als sein Verhör, er wendete es nach allen Seiten, und wenn er antwortete, sprudelte er die Worte so sicher hervor, als stünden sie vor ihm geschrieben.
     
Zwanzigstes Kapitel.
     
    In der Post lebte Fränz mit ihrer Mutter still und einsam. Früh Morgens gingen sie täglich nach der Kirche, wo die Mutter immer so zerknirscht betete, dann ging es jedesmal hinaus nach dem Gefängniß, um von dem alten Kübler zu erfahren, wie sich der Vater befinde; er gab in der Regel einförmig guten Bescheid, nahm bisweilen auch Geschenke an, ließ sich aber nicht herbei, Diethelm irgend eine Nachricht zu bringen, und so waren Mutter und Tochter von ihm wie durch Meere geschieden. Von dem einzigen Ausgange abgesehen, lebten sie selber wie in Gefangenschaft, die Mutter saß in der Mitte der Stube und spann, obgleich sie immer klagte, daß ihre Spinnfinger wie abgestorben seien. Sie hatte nicht Lust, bei der Arbeit manchmal hinaus zu sehen nach den Vorübergehenden, sie kannte Niemand und wollte Niemand kennen, und oft wenn sie eine volle Spindel abstellte, klagte sie über die schöne Aussteuer der Fränz und über die tausende von selbstgesponnenen Spindeln, die da mit verbrannt seien. Fränz saß am Fenster und stickte für den Vater sehr bunte Pantoffeln, sie hatte das in der Hauptstadt trefflich gelernt; oft schaute sie aber auch hinaus auf die Straße und machte allerlei Bemerkungen über die Vorübergehenden. Die Mutter verwies ihr das immer mit steter Wiederholung:
    »Wir haben gar nichts zu spötteln über andere Menschen, wir müssen froh sein, wenn man nicht mit Fingern auf uns weist.« Nun verschwieg Fränz meistens ihre Bemerkungen, sie hatte, wie sie glaubte, die unsäglichste Geduld mit ihrer Mutter, die gar keine Zerstreuung wollte und so gewiß als das Tischgebet jedesmal, wenn man sich zum Essen setzte, sagte:
    »Ach Gott! jetzt muß der Vater allein essen, ich weiß, daß ihm kein Bissen schmeckt, er hat nie was allein essen mögen ohne dabei zu reden, und wenn er heim kommen ist und ich ihm Essen hingestellt hab', hab' ich mich immer zu ihm setzen müssen, und beim Tisch hab' ich nie aufstehen dürfen und wenn was gefehlt hat, er hat immer gesagt: lieber kein Salz auf dem Tisch, als daß du mir fehlst. Ach Gott! Wir haben doch so gut mit einander gelebt, und wenn's auch manchmal ein bisle uneben gangen ist, es giebt doch kein' bessere Ehe auf der Welt und alle Adern hätt' sich Eins für's Andere aufschneiden lassen.«
    Fränz hörte das immer geduldig an und ermahnte nur die Mutter, das Essen nicht kalt werden zu lassen.
    Fränz trauerte auch aufrichtig um das Schicksal des Vaters, aber sie konnte diese immerwährende Trauer nicht aushalten und sehnte sich nach Zerstreuung, sie wollte von keinem Zweifel mehr wissen, daß dem Vater etwas geschehen

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