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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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könne und sprach oft davon, daß sie gar nicht mehr in das Dorf zurückkehren wollten; wenn der Vater frei sei, müsse er mit ihnen in der Stadt bleiben. Martha wollte nichts davon hören und Fränz suchte ihr alle Schauer zu erregen, die man erleben müsse, wenn man in einem Hause wohne, wo früher ein Mensch verbrannt sei.
    »Wo nur der Paßauf hin ist?« fragte Martha ablenkend und Fränz erwiderte:
    »Ihr könnet Euch darauf verlassen, der ist mit dem alten Schäferle, wie er zum Verhör in der Stadt gewesen ist.«
    »Hast du den Munde in der Hauptstadt nicht gesehen?« fragte die Mutter wieder.
    »Freilich,« erzählte Fränz, »er ist, wenn er nicht auf die Wacht gemußt hat, jeden Tag und jeden Tag in den Rautenkranz kommen, er thut noch immer so narret mit mir.«
    Martha erzählte nun, daß der Vater ihr den Munde zum Mann bestimmt habe, aber Fränz wehrte sich dagegen, daß sie das »Opferlamm« sein solle; wenn sie einen Mann nehme, so nehme sie ihn für sich und für Niemand anders. Sie ließ sich nicht dazu herbei, zu erklären, was sie mit dem Opferlamm gemeint habe, sie behauptete, das sei nur Redensart, in ihr aber erwachte wieder der Gedanke, den sie auf der ganzen Herreise gehabt, daß ihr Vater doch schuldig sei und daß es nur gelte, sich hinaus zu reden. An jenem letzten Tage in der Stadt hatte die Eröffnung Munde's, obgleich er sie so klug zu verhüllen trachtete, einen gewaltigen Eindruck auf Fränz gemacht. Sie kannte durch ihre öftere Begleitung die Verhältnisse des Vaters besser als irgend Jemand, sie wußte, daß er tief in Verlegenheiten steckte, auch klagte ihr der Vater öfters; sie gedachte während der Fahrt jenes Augenblickes, da der Vater auf dem Markte niedergefallen war als ihm der Kaufmann Gäbler sagte, daß er mit der Feuerschau käme, sie hatte den Vater dann auf der kalten Herberge beobachtet, wie er mehrmals die Farbe wechselte und dann wie besessen davon jagte, und jetzt war es ihr deutlich warum der Vater so klagend davon sprach, daß er Armuth nicht überleben würde, als die Deichsel gebrochen war; und als der Vater sie zum Letztenmal in der Hauptstadt besucht, war er wieder voll Jammer und Klage gewesen. Darum glaubte Fränz schon auf dem Wege an die Schuld des Vaters und als sie nachträglich erfuhr, daß er ihr den Munde zum Manne bestimmt hatte, kam kein Zweifel mehr auf. An einen vom Vater begangenen Mord dachte sie nicht, wohl aber, daß er mit Medard gemeinsam Feuer angelegt und daß Medard dabei verunglückt war.
    Von allen Menschen auf Erden hatte Diethelms einziges Kind allein eine gegründete Ueberzeugung von dessen Schuld und erklärte sich ihren Zusammenhang, und Fränz allein war als durchaus unbetheiligt nie verhört worden.
    Auf jener Nacht und Tag währenden Heimfahrt war eine große Wandlung mit Fränz vorgegangen, sie sah sich schon verstoßen und verhöhnt von aller Welt und war tief traurig und voll Demuth gegen Jedermann, und empfing darum überall eine Behandlung voll Theilnahme und Rücksicht, die sie wieder mild stimmte. Als sie die Mutter sah, warf sie sich ihr mit Inbrunst entgegen, das war das einzige Herz auf der Welt, das sie nicht von sich stieß und die in Trotz und Rechthaberei verhüllte Kindesliebe brach gleichzeitig mit der demüthigen Milde gegen alle Menschen auf, zwei Lilien gleich, in einer Wetternacht aufgebrochen.
    Als sie nun aber hörte, daß der Vater für unschuldig galt und daß es nur darauf ankam, diese Geltung aufrecht zu erhalten, verwelkten die in Schmerz erblühten Blumenkelche wieder. Wer weiß, in Schmach und Noth wäre Fränz vielleicht eine Heldin an Duldung geworden; jetzt war sie wieder in der Welt voll Lug und Trug, wo Alles darauf ankam, sich in seiner Rolle zu behaupten, und Fränz wurde wieder die hoffährtige, alle Welt verhöhnende Tochter Diethelms; nur eine gewisse Umflorung, die aus dem Kummer um das noch nicht entschiedene Schicksal des Vaters entsprang, dazu eine Nachwirkung von jener immer mehr verklingenden Trauerstimmung, verhinderte, daß nicht mit Einem Wort der leibhafte Nückel wieder da war.
    Fränz ertrug den Schmerz um die sich in die Länge ziehende Gefangenschaft des Vaters leichter als die Mutter, weil sie ihn für schuldig hielt; von einem Morde an Medard ahnte sie nichts, und für einen Brandstifter gehalten worden zu sein, dachte sie, ist am Ende keine Schande, wenn man nur freigesprochen ist.
    Seit mehreren Tagen hatte Fränz jedesmal um Mittag gesagt: »Jetzt ist halb eins« und

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