Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Leid angethan. Den Munde fürchtete Diethelm nicht mehr, weil er nicht im ersten Zorn gehandelt hatte, in diesem war er des Schlimmsten von ihm gewärtig, jetzt in Ruhe, dachte er, wird die Schafseele es nie dazu bringen, als Ankläger aufzutreten. So fühlte sich Diethelm von dieser Seite gedeckt, aber der Geist der Widerspenstigkeit und Aufsätzigkeit, den er in Fränz niedergerungen hatte, schien in Martha jetzt neu zu erwachen, wenn gleich gemildert von ihrem an Ergebung gewohnten Wesen. Mit Ruhe ertrug es Diethelm, daß sie ihm heftige Vorwürfe machte, weil er mit Fränz in der Welt umherfuhr und seine Frau daheim vergaß, »wie ein im Stall angebundenes Stückle Vieh.« Er versprach, sie nie mehr allein zu lassen.
Eines Tages ging er mit ihr nach dem Bau, der staunenswerth rasch vorrückte, die Sonne brannte stechend und gewitterverkündend nieder, und Diethelm sagte:
»Ich weiß nicht wie mir's ist, seitdem ich im Gefängniß gewesen, bring' ich eine Kellerkälte nicht aus mir heraus; es ist mir, wie wenn ich einen Eisklumpen im Herzen hätt'. Ich hab' gemeint, im Sommer wird's besser, aber es ist nicht. Du sagst jetzt, dir sei heiß, und ich werde die Gänshaut nicht los.«
»Herr Gott! das sind meine todten Schwurfinger,« schrie Martha gellend und streckte die leichenhaften Finger Diethelm in's Gesicht.
»Was hast? Was machst?« fragte Diethelm erschrocken und Martha erklärte, indem sie sich auf einen Steinhaufen am Wege setzte:
»Diethelm, was hast du gemacht? Weißt du's denn nicht mehr? Du hast ja geschworen, die Sonne soll dich nicht mehr erwärmen, wenn du an's Brandstiften denkst, dort am Fenstersims hast's geschworen und jetzt ist's ja wahr geworden, die Sonne wärmt dich nicht und ich hab' einen falschen Eid auf mich nehmen wollen und meine Finger sterben mir ab. O gerechter Gott, was machst du aus uns? Gerechter Gott, was soll aus uns werden?«
Diethelm suchte zu trösten so viel er vermochte, er wollte jetzt leugnen, daß ihn friere und behauptete, die Wunde an seinem Arm sei noch nicht völlig geheilt; da faßte ihn Martha gerade an der wunden Stelle, daß er laut aufschrie, sie aber sagte:
»Gesteh' ehrlich, beichte, nur mir sag's, nur mir, woher du das hast. Der Doctor hat immer gesagt, das säh' aus wie ein Biß von einem Menschen. Wer hat dich gebissen?«
Diethelm hatte Geistesgegenwart genug, seine Frau tapfer auszuzanken mit dem Zusatz, daß wenn sie noch ein einzigmal von todten Schwurfingern rede, er sie auf immer verlasse, möge daraus werden was da wolle.
Martha schwieg, aber ihre schweigend trauervollen Mienen, ihr stilles stundenlanges Betrachten der abgestorbenen Finger sagte Diethelm was sie für sich sinne und was sie von ihm denken möge.
Als das Haus gerichtet war und der bänderverzierte Maien vom Giebel prangte, machte sich Diethelm mit den Seinen auf nach dem Wildbad, die warme Quelle sollte Diethelm von seinem Frost und der Wunde heilen und sollte die todte Hand Martha's neu beleben. Am hoffnungsreichsten aber war Fränz, sie bedurfte der warmen Quelle nicht: ihrer harrte dort der Rautenkranzsohn und, nicht zu vergessen, auch der Amtsverweser.
Sechsundzwanzigstes Kapitel.
Der stattliche reiche Bauer von Buchenberg mit seiner Familie und seinem eigenen Gefährte war wochenlang eine der bemerktesten Erscheinungen im Wildbad. Schon der frappante Gegensatz, den man sich von ihm erzählte, daß er sich beim Brande eine schwer zu heilende Erkältung zugezogen, machte ihn zum Gegenstand des Gespräches, dazu sein gemessenes Benehmen, weder zudringlich noch schüchtern, machte ihn zu einem Urbild jenes stolzen selbstbewußten Bauernthums, das man sogar in der sogenannten guten Gesellschaft anziehend findet, so lange es in ästhetischer Buchferne verharrt und der eigenen Ueberhebung nicht zu nahe tritt. Martha und Fränz waren weniger bemerkt. Martha hielt sich vorzugsweise zu einigen alten Frauen, die im Armenbad eine Freistelle genossen und ließ sich von ihnen ihre Leiden und ihre Schicksale erzählen, Fränz aber war seltsam verscheucht und zurückgezogen. Wir werden bald erfahren, warum. Wir müssen nur noch erzählen, daß Diethelm die Spitze seines Ruhms erreichte, als eine regierende Fürstin in der Allee durch den ersten Kammerherrn ihn sich vorstellen ließ. Diethelm war beseligt durch diese Auszeichnung, er gab auf alle Fragen bescheidene und wie es schien genehme Antworten; er widersprach nicht als man ihn für einen großen Hofbesitzer hielt und nahm
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