Schwarzwaelder Dorfgeschichten
gedacht, Frau Rautenwirthin zu werden; aber Frau Amtmännin und in Zukunft Frau Regierungsrätin – das ist doch schöner und ein Narr ist, wer das Höhere erreichen kann und sich mit Geringerem begnügt. Fränz war entschlossen, den Blumenstrauß des Amtsverwesers zu nehmen; aber während des langen Besinnens hatte sie vergessen, ob der in der Rechten oder in der Linken von ihm kam, sie waren so ähnlich. Jetzt erinnerte sie sich, daß der in der Rechten der gültige war, aber in der Verwirrung hatte sie die Sträuße niedergelegt und dieses Merkmal zerstört. Wenn aber kein rechtes Kennzeichen war, so konnte ja der Amtsverweser nichts merken? Wer weiß indeß, ob er nicht doch ein geheimes Kennzeichen hat. Fränz war ganz berauscht von der blumenduftigen Werbung, sie eilte die Treppe hinab und wollte den Kellner fragen, welcher Strauß von ihm sei, aber nicht der Gedanke, welch eine tückische Härte hierin lag, hielt sie plötzlich fest, sondern die Erinnerung, daß sie ja dann eine offenbare Entscheidung machen müsse und einen Freier aus der Hand gebe, bevor sie des andern gewiß sei und jetzt that sich ein neuer und glücklicher Ausweg auf, sie wollte gar keine Blumen mitnehmen und dem Amtsverweser sagen, sie habe deren so viele von unbekannten Verehrern bekommen, daß sie Alle daheim gelassen. Das wird ihn kirren und rasch zugreifen machen, und dann ist die Entscheidung da.
Und so geschah es auch.
Wieder unter rauschender Musik wurde Fränz zum Zweitenmal verlobt. Der Amtsverweser hatte in unerklärlicher Zaghaftigkeit gewünscht, daß die Verlobung noch einige Zeit geheim gehalten werde, mindestens bis er seine täglich erwartete Bestallung als stellvertretender Staatsanwalt erhalten habe, aber Diethelm war nicht gewillt, nur einen Tag der Ehre verlustig zu gehen, die ihm aus dieser Verlobung seiner Tochter entsprang; er faßte den Einwand seines Schwiegersohnes, daß er wegen des neu zu übernehmenden Amtes vor kommenden Frühling nicht heirathen könne, dahin fest, daß Fränz während dieser Zeit noch in ein Erziehungs-Institut, eine »Schnellbleiche,« wie er es spöttisch bezeichnete, gethan werde, um ihrer neuen Stellung gerecht zu werden. Bis dahin wollte er auch sein neues Anwesen in Buchenberg verkaufen, und wie er doch schon lang vorhatte, nach der Kreisstadt ziehen.
Die warme Quelle hatte weder Diethelm von seinem Froste, noch seine Frau von der Abgestorbenheit ihrer Finger befreit, man getröstete sich der Nachwirkung.
Nur Fränz hatte erreicht, was sie wollte, und die Eltern erfreuten sich bei der Heimfahrt im Sprechen über das Glück ihres Kindes und vergaßen darüber alle Körperleiden und alles Leid in der Seele.
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Wie ein Mensch aus höheren Regionen, der sich bescheidentlich herabläßt, mit niederen Erdgeborenen zu verkehren, so ging Diethelm durch Buchenberg; er hatte mit fürstlichen Personen, mit hohen Staatsmännern verkehrt und ein Staatsanwalt – denn das war er geworden – war sein Schwiegersohn! Es dünkte ihn wie ein Traum, daß er sein einziges Kind einst einem armen Schäfer hatte geben wollen. Wenn er seiner That gedachte, war sie ihm wie längst abgethan und die Gunst der Großen, denen er so nahe gestanden, erschien ihm als Schild und Schirm, daß nie mehr auch der leiseste Verdacht sich gegen ihn erheben dürfte. Wenn der Eilwagen durch das Dorf fuhr und bald darauf Briefe kamen, sah Diethelm immer, ob keiner mit einem großen Siegel darunter sei, der ihm einen Orden zubrächte oder irgend eine andere unverhoffte Auszeichnung. Es kamen aber meist Bettelbriefe von allen Orten, von den entferntesten Verwandten, von Schulmeistern geschrieben, die in hochtrabendem Tone den hochverehrten Herrn Vetter um Gaben und Darleihen baten. Diethelm glaubte genug gethan zu haben und ließ sie unbeantwortet. Am erfreulichsten waren noch die Briefe von Fränz; zwar waren sie in steifer ungelenker Redeweise, aber diese erschien Diethelm gerade recht schön und erbaulich, und von Brief zu Brief ward die Schrift zierlicher und geläufiger. Diethelm konnte nicht umhin, manche davon, besonders aber auch die Briefe des Staatsanwalts, durch den Vetter im Waldhorn vorlesen zu lassen.
Die Verehrung im Dorfe schien ihm indeß doch minder bedeutend, als die in der Stadt sich darthat. Mit Martha, die er nun nicht mehr allein ließ, fuhr er oft dahin, um allerlei Hausrath zu kaufen. Er richtete sich nur nothdürftig ein, da er ja bald wieder verkaufen
Weitere Kostenlose Bücher