Schwarzwaelder Dorfgeschichten
sich nur vor, diese Voraussetzung zu einer Wahrheit zu machen; dabei schaute er oft wie verlegen um, er wollte sehen, ob Niemand bemerke, welche Ehre ihm zu Theil wurde. Es gingen aber Menschen vorüber, die ihn nicht kannten. Dennoch sah er wohl, daß sie in der Ferne stehen blieben. Als er entlassen wurde, ging er aufgerichtet durch die Alleen heimwärts, die Bäume waren noch einmal so grün, der Himmel noch einmal so blau und die Vögel sangen so lustig wie noch nie. Zum Erstenmal spürte er die Wirkung des Bades, eine wohlthätige Wärme überströmte sein ganzes Wesen und als er zu Frau und Tochter kam, war er glückselig und wiederholte immer und immer, daß dieser Tag sein höchstes Glück sei. Er mußte sich niedersetzen, so hatte ihm die Freude fast wie ein Schreck die Kniee angegriffen, diese Ehre schien zu schwer für ihn und als jetzt ein erwünschter Besuch, der Vetter Waldhornwirth eintrat, blieb Diethelm auf seinem Stuhle sitzen und sagte mit verklärtem Lächeln:
»Wärst du nur um eine Stunde früher gekommen, da hättest du sehen können, wie die Fürstin von ** mit mir gesprochen hat, grad so wie ich jetzt mit dir, so freundschaftlich, so herztreu. Ich hätt' einen Finger von der Hand drum geben, wenn ich ganz Buchenberg hätt' daneben stellen können. Aber erzählen mußt's. Sie müssen's Alle wissen.«
Der Vetter versprach zu erzählen, andern Tages aber wurde er auch von der Wahrheit überführt, denn vor dem Kurhause, vor allen Leuten winkte die Fürstin den Diethelm zu sich und unterhielt sich lange mit ihm. Sie fragte nach seiner Untersuchungshaft und Diethelm, der Anfangs erschrack, richtete sich an einer alten Erinnerung auf und betheuerte, wie er ein treuer Unterthan sei und nichts von den Grundrechten wolle, aber das Schwurgericht, das sei doch gut, da werde man auch öffentlich freigesprochen. Mit einem freundlichen Lächeln entließ ihn die Fürstin und der Vetter Trompeter, der von Ferne zugesehen, faßte seine Hand als er zu ihm trat und rief:
»Was meinet Ihr Vetter, wenn das Euer Vater gesehen hätt', der Krattenmacher von Letzweiler?« Diethelm schien diese Erinnerung nicht genehm, denn er erwiderte:
»Was redest du wie ein Mann ohne Kopf?« Der Vetter verstand und fuhr fort:
»Ich hab's nicht allein gesehen, dort steht der Kastenverwalter von G. Gucket er kommt schon her und will Euch Glück wünschen.«
In der That geschah dieß auch, und nicht nur der abgestellte Kastenverwalter, viele andere hohe und niedere Beamte, ja sogar Adelige behandelten Diethelm mit Auszeichnung und zum darauffolgenden Ball im Kurhause erhielt Diethelm mit seiner Familie eine Einladung. Martha sagte sogleich, daß sie daheim bleibe, sie sei krank und nicht zum Tanzen da, Fränz aber hüpfte vor Freude als hörte sie schon die lustigen Tanzweisen.
Fränz war, wie gesagt, während des Badeaufenthaltes noch nie zu rechter Freude gekommen, sie fühlte sich nicht recht heimisch in diesen Umgebungen, sie hatte zwar die Bauernhaube abgelegt, die kaum zu bewältigenden Haarflechten aufgenestelt und sich einen farbenschillernden Sonnenschirm angeschafft, aber erst durch einen Geistlichen erhielt sie eine gesellschaftliche Firmelung. Ein junger Missionär aus der Schweiz, der in einem zierlichen Rollwagen umhergeführt wurde, war bald der Schützling aller Frauen und Mädchen, auch Fränz wurde durch eine priesterlich zuvorkommende Ansprache in seinen Kreis gezogen und verlor bald jede äußere Schüchternheit, indem sie gleich den Uebrigen dem Kranken, der noch dazu ein geweihter Priester war, sich dienstgefällig erwies. Die Hülflosigkeit des Kranken ließ jede Scheu verschwinden, man durfte ihm die Hand reichen und gefällig sein wie einem Kinde. Der junge Mann, ein wirklich eifervoller Priester mit seinem blassen Antlitze, das durch die beständige weiße Halsbinde noch gehoben wurde, war eine anziehende Erscheinung und sein brennendes Auge, das er wundersam zu heben und zu senken verstand, zeugte von innerem Feuer, das auch hervorbrach, wenn er an stillen schattigen Plätzen dem Frauenkreise vorlas. Er hatte eine wohltönende, in's Herz dringende Stimme. Fränz hatte in der Stadt die Kunst gelernt, Pantöffelein zu brodiren und sie saß nun mit den anderen Frauen mit ihrer Arbeit um den heiligen Mann und hörte die ergreifenden Vorlesungen und eifervollen Vorträge; sie verstand es wie die Anderen, mitunter aufzuschauen, einen verständnißreichen Blick zu thun, bedeutsam mit dem Kopf zu nicken oder
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