Schwarzwaelder Dorfgeschichten
kahn's et wisse, Herr Oberamtmann.«
»Hast du nicht das Seil zum Anbinden an dem Dachfenster hergegeben?«
»Noan, Herr Oberamtmann.«
»Weißt du auch nicht, wer dein Schatz ist?«
Aivle fing laut an zu weinen. Es war ihm schrecklich, daß es hier läugnen sollte, und doch konnte es auch nicht eingestehen. Der Amtmann half ihm, denn er sagte:
»Nun, was ist denn da zu läugnen? Der Mathes ist dein Schatz, ihr wollt euch ja bald heirathen.«
Aivle dachte daran, daß sie über vier Wochen sich beim Amte die Heirathserlaubniß holen wollten; es glaubte, wenn es jetzt leugne, bekäme es die »Papiere« und die »Annahme« nicht; auch durfte es nicht Nein sagen, das war gegen sein Gewissen. Sein Herz klopfte rasch, ein gewisses Gefühl des Stolzes erhob sich in ihm, ein Bewußtsein, das über alle Gefahren hinausragte, belebte sein ganzes Wesen, es dachte plötzlich nicht mehr an die Papiere, nicht mehr an den Oberamtmann, nicht mehr, wo es war, es dachte nur an Mathes; die letzte Thräne fiel von seinen Wimpern, sein Auge leuchtete hell, es erhob sich rasch, schaute wie siegverklärt umher und sagte: »Jo, koan andere uf der Welt nähm i.«
»Der Mathes hat dir also den Maien gesetzt?«
»'s kann wol sein, aber me derf jo et dabei sein, und i bin diesell Nacht –« es konnte wiederum vor Weinen nicht weiter reden.
Es war gut, daß Aivle die Augen zuhielt und das Lächeln der Gerichtsmänner nicht sah.
»Gesteh's nur, kein Andrer hat dir den Maien gesetzt?«
»Was kahn i wisse?«
Durch allerlei Querfragen und durch die freundliche Versicherung, daß die Strafe nur gering sei, brachte der Oberamtmann endlich das Geständniß Aivles heraus. Nun wurde ihm das Protocoll vorgelesen, worin die Aussagen in hochdeutsche Sprache über'setzt und in zusammenhängende Rede gebracht waren; von all dem Weinen und den Qualen des Mädchens stand kein Wort darin. Aivle erstaunte über Alles das, was es da gesagt hatte; aber es unterschrieb doch und war seelenfroh, als es wieder fort durfte. Als die Thüre hinter ihm wieder zu war und die Klinke in's Schloß fiel, stand es plötzlich wie festgebannt da und faltete die Hände; ein schwerer Seufzer entlud sich seiner Brust, es meinte, der Boden müsse unter ihm zusammensinken, denn es überdachte jetzt erst recht, was es seinem Mathes gethan haben konnte. Sich an das Treppengeländer haltend, ging es furchtsam die steinernen Stufen hinab und suchte seinen Vater, der im Lamm einen Schoppen zur Herzstärkung trank; ohne ein Wort zu reden und ohne einen Tropfen über die Lippen zu bringen, saß Aivle neben ihm.
Unterdeß kam auch der Mathes abermals zum Verhör, und als er das Geständniß Aivles hörte, stampfte er mit dem Fuß auf den Boden und knirschte die Zähne. Diese Aeußerungen wurden sogleich als Grundlagen des Geständnisses genommen, und müde gehetzt gab sich Mathes gefangen; aber er gebärdete sich noch wie ein Wild, das im Netze steckt, sich nach allen Seiten hin und her windet, um sich loszumachen, aber immer tiefer sich hineinwirrt.
Auf die Frage, wo er den Baum geholt, sagte Mathes zuerst, daß er ihn aus dem Dettenseer Walde (aus dem Sigmaringischen) genommen. Als man hierauf eine neue Untersuchung einleiten und an das Amt Haigerloch berichten wollte, gestand er endlich, daß er den Baum aus seinem eigenen Walde, im »Weiherle« gelegen, genommen und daß es ein solcher sei, der nächster Tage von dem Förster ausgezeichnet worden wäre.
In Betracht dieser mildernden Umstände wurde Mathes um zehn Reichsthaler gestraft, weil er vor der Auszeichnung einen Baum aus seinem eigenen Walde geholt hatte.
Oben an der Steige, dort, wo der Mathes Tages zuvor einen Zweig abgerissen, traf er mit dem Aivle und ihrem Vater zusammen, die den Wiesenweg heraufkamen. Mathes wollte ohne Gruß weiter gehen. Da sprang das Aivle auf ihn zu, faßte seine Hand und rief schwer athmend: »Mathes, trutz et, guck, do hoscht du mein Anhenker und au meine Granate, wenn du Strof zahle muscht. Dank aunserm Heiland, daß du nimmeh eing'sperrt bischt.«
Nach einigem Hin- und Herreden gab Mathes nach, Hand in Hand ging er dann mit seinem Aivle das Dorf hinein und wurde von allen freundlich bewillkommt.
Das ist die Geschichte von dem Maibaum an des Wagner Michel's Haus; am Hochzeitstage der beiden Liebenden ward er mit rothen Bändern geschmückt. Der Himmel schien mehr Wohlgefallen an dem Baum zu haben als die löbliche Polizei, denn auf eine fast wunderbare Weise grünte der Baum und
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