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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Rath werden. Da bewegte sich plötzlich die Maihütte gerade auf den Schütz zu und stieß ihm in's Gesicht. Der Bub verließ sich wohl darauf, daß er als Mai eine geheiligte Person und unverletzlich sei; der Schütz aber kannte keine andere unverletzliche Person, als sich selber, und zerfetzte mit einem Risse dem Knaben sein ganzes Laubhaus. Der Christle, der jüngste Bruder des Mathes, sprang daraus hervor, und der Maienmann hatte nun ein Ende.
    Unterdessen war das Aivle vom Hause herabgekommen, es erfaßte den Mathes beim Arme, als wollte es ihn retten. Dieser aber rückte auch seine Hand ebenso harsch von sich ab, und der Dorfschütz sagte zum Aivle: »Du wirst noch warten können, bis man dich holt.«
    »Ich geh' schon mit,« sagte Mathes, dem Aivle einen vielsagenden Blick zuwerfend. Dieses aber sah nichts mehr, denn die hellen Thränen standen ihm im Auge, und die Schürze vor das Gesicht haltend, ging es schnell zurück in's Haus.
    Die Bauern gingen nun auf's Feld, der Mathes mit den beiden Schützen hinein in das Dorf, die Kinder mit Hallo hinterdrein. Als der Schütz den Nachruf nicht mehr hören konnte, riefen einige verwegene Knaben: »Soges! Soges!« Dieß war der Schimpfname des Schützen und brachte ihn jedesmal gewaltig auf. Er hatte nämlich noch in den letzten Jahren der österreichischen Herrschaft sein jetziges Amt versehen; in seiner Dienstbeflissenheit glaubte er auch den österreichischen Dialekt sprechen zu müssen und sagte einmal: »i sog es.« Seitdem schimpfte man ihn den »Soges«.
    Hinter der geheimnisvollen braunen Hausthüre des Schultheißen verschwanden Soges, Mathes und Bannert. Der Schultheiß schalt den Angeklagten wegen seines Verbrechens sogleich tüchtig aus.
    Mathes stand ruhig da, er spielte nur leise mit dem Fuße nach einer Melodie, die er innerlich sang; endlich sagte er: »Seid Ihr bald fertig, Herr Schultheiß? Das geht mich Alles nichts an, ich habe keinen Maien gesetzt; jetzt machet nur weiter, ich kann schon noch eine Weil' zuhören.« Der Schultheiß fuhr auf; er wollte gerade auf Mathes los, aber der Soges sagte ihm etwas ganz leise, und seine geballte Faust senkte sich. Er befahl nun dem Soges, den Verbrecher wegen groben Läugnens 24 Stunden einzusperren.
    »Ich bin ein Kind aus dem Ort, man weiß, wo ich zu finden bin, ich verlauf' wegen so einem Bettel nicht; man kann mich nicht einstecken,« sagte Mathes mit Recht.
    »Man kann nicht?« rief der Schultheiß zornglühend, »das wollen wir doch sehen, du –«
    »Oha! es ist genug geschimpft, ich geh' schon,« sagte Mathes, »aber mit einem Bürgersohn sollt' man nicht so verfahren. Wenn mein Vetter, der Buchmaier, daheim wär', dürft' das nicht geschehen.«
    Noch auf dem Wege zum Gefängnisse begegnete Mathes dem Aivle, aber er versuchte es nicht einmal, mit ihm zu sprechen. Aivle konnte sich das nicht erklären, es schaute Mathes lange nach, und von der Schande und dem Kummer niedergedrückt, ging es gesenkten Blickes in des Schultheißen Haus. Die Frau Schultheißin war die Firmgode Aivles, dieses wollte nun nicht eher vom Platze gehen, bis der Mathes frei wäre. Aber diesmal half die so einflußreiche Verwendung nichts; der Schultheiß hatte mit nächstem das Ruggericht zu erwarten, und er wollte sich durch unnachsichtige Strenge beim Oberamtmann beliebt machen.
    Im Verein mit dem Soges, seinem getreuen und weisen Minister, setzte der Schultheiß einen Bericht auf, und am andern Morgen in aller Frühe ward Mathes nach Horb transportiert. Es war gut, daß der Weg nach der andern Seite des Dorfes zuging und das Aivle den Mathes nicht sah, denn es war ein erbärmlicher Anblick, wie der sonst so muthige und säuberliche Bursche jetzt so geknickt und verwahrlost erschien; eine einzige Nacht im Gefängnisse hatte ihn so zugerichtet. Von allen Hecken, an denen Mathes vorüberkam, riß er sich im Zorne einen Zweig ab, warf ihn aber bald wieder weg, nur als er durch den Tannenwald auf der Steige geführt wurde, riß er sich ein Tannenreis ab und hielt es zwischen den Zähnen fest. Auf dem ganzen Wege sprach er kein Wort; es war, als ob dieses Tannenreis ihm das sichtbare Sinnbild seines Schweigens über den Maibaum wäre, als ob dieses Reislein seine Zunge wie mit einem Zauber festbinden sollte. Vor dem Oberamte nahm er schnell das Tannenreis heraus, und fast ohne es zu wissen, steckte er das Sinnbild seiner Anklage in die Tasche.
    Wer nie in den Händen des Gerichts war, weiß nicht, welch ein schreckliches Loos es

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