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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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hörte, sperrte er die Augen weit auf und seine Lippen zuckten, aber er schwieg. Der Amtmann war eine Zeitlang stutzig, er erkannte das Ungehörige eines solchen Beweismittels wohl; aber er wollte »ein Exempel statuieren«, wie er sich in der Gerichtssprache ausdrückte.
    Nachdem Mathes, der Soges und die herkömmlichen zwei Gerichtsschöppen – oder wie man sie bei uns heißt, Gerichtsbeischläfer – das Protocoll unterschrieben hatten, war das Verhör geschlossen. Mathes hatte den Muth nicht, seine frühere Forderung in Betreff der Schimpfreden des Oberamtmanns zu wiederholen, er wurde abermals in das Gefängniß abgeführt.
    Es war schon spät gegen Abend, da saß Aivle oben an der Steige und schaute hinüber nach dem Turme auf dem Berge jenseits; es meinte, der Mathes müsse doch endlich kommen. Es saß hinter einer Hecke, um von den Leuten nicht gesehen und befragt zu werden. Da sah es den Soges die Bergwiese heraufkommen; es ging nach der Straße, der Soges winkte ihm zu, es sprang ihm schnell entgegen.
    »Thur stet 5 , Aivle,« rief der Soges, »ich hab' dir nur sagen wollen, du sparst mir einen Gang, du mußt morgen früh um acht Uhr vor Oberamt.«
    Das Aivle stand leichenblaß da und schaute wie verwirrt drein, dann rannte es schnell den Berg hinab und hielt erst unten am Neckar inne; es blickte sich verwundert um, es war ihm gewesen, als würde es jetzt gleich eingesperrt, und als müsse es auf und davon laufen. Still weinend und gesenkten Hauptes kehrte es heim.
    Fast die ganze Nacht that Aivle kein Auge zu, denn morgen sollte es ja zum erstenmal vor Gericht; allerlei Schreckbilder von schwarzbehangenen Gemächern standen vor seiner Seele, und hätte sich nicht sein Gespiel, des Schneiderles Agath, erboten, bei ihm zu schlafen, es wäre gestorben vor Angst.
    Als kaum der Morgen graute, ging Aivle nach dem Schranke, holte sein Sonntagshäs 6 , und die Agath mußte es ankleiden; es konnte vor Zittern kein Bändel knüpfen. Wehmüthig betrachtete es sich in seinem zerbrochenen Spiegel; es war ihm, als müßte es in seinen Sonntagskleidern zu einem Leichenbegängnisse.
    Der Wagner Michel begleitete seine Tochter, er konnte das Kind ja nicht allein gehen lassen. In der Oberamtei zog er seinen Hut ab, strich sich die kurzgeschorenen Haare glatt und machte schon jetzt ein demüthig freundliches Gesicht, als er mit den Füßen scharrend vor der Stubenthür stand. Er stellte seinen Schlehdornstock an die Wand, und den dreieckigen Hut mit der linken Hand vor die Brust haltend, den Kopf demüthig vorgebeugt, klopfte er an. Die Thür öffnete sich. »Was will Er?« fragte eine rauhe Stimme.
    »Ich bin der Wagner Michel, und das da ist mein' Tochter, das Aivle, und das fürcht' sich so, da hab' ich fragen wollen, ob ich nicht mit 'nein darf vor Gericht.«
    »Nein,« war die rauhe Antwort, und die Thür wurde ihm vor der Nase zugeschlagen, daß der Wagner Michel zurücktaumelte. Er konnte seine weitere Begründung, daß eigentlich er und nicht seine Tochter vor Gericht gehöre, da der Maien vor seinem Hause stand, nicht mehr anbringen.
    Die beiden Hände auf den Schlehdorn gelegt und das Kinn auf die Hände gestemmt, so saß der Wagner Michel neben seiner Tochter auf der Hausflur und heftete seinen Blick auf die Steine des Fußbodens, die so kalt und theilnahmlos waren wie das Antlitz des Beamten. Dann brummte er vor sich hin: »Wenn der Buchmaier da wär', müßt' er andere Saiten aufziehen.« Das Aivle konnte kein Wort reden, es hatte die Hände gefaltet und hustete nur manchmal ganz leise in sein schön gebügeltes Sacktuch hinein.
    Endlich wurde es in die Gerichtsstube gerufen; es stand rasch auf, Vater und Tochter sahen sich stumm an, und das Aivle verschwand hinter der Thüre. Es blieb an der Thüre stehen; der Oberamtmann war nicht da, aber dort saß der Schreiber und spielte mit der Feder in der Hand, neben ihm die beiden Gerichtsschöppen, sie pisperten leise mit einander. Aivle zitterte und bebte an allen Gliedern; die Stille dauerte fast zehn Minuten, für Aivle eine halbe Ewigkeit. Endlich hörte man Sporenklingen, der Oberamtmann kam. Aivle schien ihm sehr zu gefallen, denn er faßte es am Kinn, streichelte ihm die heißen, rothen Wangen und sagte dann: »Setz' dich nur.« Aivle gehorchte, sich zaghaft auf den Rand des Sessels niederlassend.
    Nachdem es mit niedergeschlagenen Augen auf die Fragen: Name, Stand, Alter u.s.w. angegeben, fragte der Oberamtmann: »Nun, wer hat dir den Maibaum gesetzt?«
    »I

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