Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Auerhahnwirth und die leichten Karten spielten nach und nach ganze Morgen Hochwald in die Hände des Wirths. Der Kappelbauer war kinderlos, hatte aber dafür eine Frau, die mehr Lärm machen konnte als zehn Kinder in der Abenddämmerung. Wenn nun der Kappelbauer seinen richtigen »polnischen Rausch« hatte, wie er es nannte, stützte er sich auf die befreundete Macht Brosi und begann in mehr als liebevoller Hingebung zu klagen, welch eine böse Frau er habe und wie sie ihn die wenigen Stunden nicht werde schlafen lassen. Er konnte dabei untereinander fluchen und weinen, bis Brosi einst ein kluges Mittel fand:
»Weißt was?« sagte er, »wenn deine Frau zankt, daß schon so spät sei, sagst, es sei ja erst zehne und ich steh' vor deinem Haus und ruf' zehne an.«
Der Kappelbauer weckte sogar seine Frau und als Brosi den Zank losgehen hörte, rief er mit verstellter Stimme, als wenn des Uribasches Kalter sänge, zehn Uhr an, und nur noch ein lautes Lachen erscholl, dann ward es still im Hause des Kappelbauers.
Einen ganzen Winter lang ging dieser Betrug vor sich und außer den beiden Betheiligten wußte Niemand davon als der Auerhahnwirth. Brosi machte sich nicht im Geringsten ein Gewissen daraus, die ganze Wahrhaftigkeit seines Berufes zu mißbrauchen, und doch war es derselbe Mann, der zu Zeiten von den heiligsten Gedanken getragen dahin schritt; der Uebermuth des Scherzes deckte Alles zu und die Trinkgelder des Kappelbauern waren reichlich. Gemahnte ihn doch bisweilen eine innere Stimme, so beschwichtigte er sie mit dem Einwande, daß der Kappelbauer auch ohne diese Beihülfe sein Leben nicht ließe und nur Zank dadurch verhütet werde, daß der Kappelbauer nicht mehr lange lebe und die Wittwe noch immer reich genug bleibe; im nächsten Winter aber, wenn der Kappelbauer doch noch leben sollte, gelobte er sich diesen Betrug nicht mehr mit zu machen.
Auf Diebe hatte Brosi wenig zu achten, denn es gab damals in Haldenbrunn nichts zu stehlen als etwas Holz, und dessen konnte man bei Tag genug habhaft werden; aber manchem Burschen, der aus einem Fenster sprang und durch die Schatten an den Häusern dahin huschte, winkte er mit der Hellebarde und rief ihm auch einige Spottworte nach. Oft klopfte er auch an ein Haus und weckte die Leute, wenn er hörte, daß eine Kuh kalben wollte, ein Pferd sich losgerissen hatte, und das trug immer ein paar Töpfe Milch oder einige Kocheten Kartoffeln ein.
Von den Holzfuhren hatte sich Brosi nicht losmachen können, denn der Revierförster, der anfangs Winter gethan hatte, als ob er ihm eine überschwängliche Gnade angedeihen ließe, hielt ihn jetzt aus Mangel an Holzknechten fest. Brosi war damit zufrieden, er ging immer bei Tag in den Wald, sah mit unnennbarer Erquickung, daß sich sein Besitzthum täglich vermehrte und Brosi war der lustigste Schlittengaul, wie er sich oft nannte.
Nun kam noch das glückliche längstersehnte Ereigniß, daß das »brave Küh'le« endlich kalbte. Der Sprößling war so starkknochig, daß nur zu bedauern war, daß man seine fernere Entwicklung nicht mit erleben durfte; dafür legte aber auch schon nach acht Tagen der Metzger zwei harte gediegene Kronenthaler auf den Tisch und noch zwölf Kreuzer Trinkgeld für die Moni; diese war schon ohnedies im gelobten Lande, denn eine neumelkige Kuh im Stall ist für eine wirthliche Frau eine Wonnezeit und noch dazu begannen die Hühner schon wieder zu legen. Fülle und Reichthum war im Haus und baar Geld dazu. Moni sang wie ein junges Mädchen im Haus umher und Brosi sang mit.
»Jetzt sind wir reich. Jetzt haben wir zwei frischmelkige Küh',« sagte er eines Tages und Moni erwiderte:
»Ich dank' Gott für die eine.«
»Und wir haben doch zwei.«
»Ich hoff' auch, wir kommen mit Gottes Hülfe noch dazu.«
»Nein, wir haben's jetzt schon.«
»Mach' mich nicht zum Narren,« schalt Moni verdrossen und schelmisch erwiderte Brosi:
»Wir haben doch zwei frischmelkige Küh'. Du mußt noch lang wachsen, bis du da 'rauf reichst,« sagte er auf die Stirn deutend, »dein brav Thierle im Stall ist die eine und mein Amt ist die zweite Milchkuh. Jetzt sag' bin ich ein Narr?«
»Ich wollt', die ganz' Welt war so närrisch wie du.«
»Und ich wollt's nicht. Ich will was Apartes haben.«
Es giebt eine Fröhlichkeit, eine innere Durchleuchtung, die sich in gar nichts Besonderem, ja nicht einmal in Worten ausspricht; eines der Ehegatten oft fern von dem andern hat die vergnügtesten Stunden mit ihm, sei es im
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