Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
kläglich nach seinem Vater.
    Man umging den Felsen, Brosi schlich mühsam hinter drein und der Jörgtoni, der wieder der Erste war, rief laut:
    »Daß Gott erbarm, da liegt er todt.«
    Alle standen festgebannt, lautlos, nur des Uribasche's Kalter wimmerte und jammerte und die Zähne klapperten ihm.
    »Das ist rack aus gewesen,« sagte der Jörgtoni, der den Zerschmetterten untersuchte. Man lud ihn auf zwei zusammengebundene leere Schlitten, deckte ihm mit dem Kittel, den man ihm auszog, das Gesicht zu, drei Mann spannten sich vor, und auf mühsamen Umwegen auf dem eingefrorenen Bache führte man die Leiche nach dem Dorfe. Der Sohn des Uribasche ging hinterdrein, in der einen Hand trug er die Mütze des entseelten Vaters und wischte sich damit die Thränen ab, die alsbald gefroren, in der andern Hand trug er ein Stück Brod, das dem Vater aus der Tasche gefallen war; er sah wehmüthig darauf, man wußte nicht ob aus Kummer, oder weil er nicht wußte, ob er dreinbeißen solle.
    Brosi folgte still und matt, es fror ihn mächtig, als aber die Ziehenden abwechselten, spannte er sich selbst auch vor, und die Anstrengung brachte ihn zu neuer Kraft.
    Im ganzen Dorfe war Jammer und Wehklage über den so jähen Tod des Uribasche, ein Jedes wollte sein bester Freund gewesen sein und hatte schöne Thaten von ihm zu erzählen, besonders die Frauen, die sich auch hier am zahlreichsten einfanden, stimmten darin überein, daß man solch' einen braven Nachtwächter nie mehr bekomme. Diese hatte er immer pünktlich geweckt, wenn sie große Wäsche hatte, jener hatte er eine verlaufene Gans heimgebracht und einer Andern ein vergessenes Stück Tuch von der Bleiche geholt. Auch der Kalte, der sonst meist nur Spottreden erfuhr, lernte zum Erstenmal die guten Worte der Menschen kennen; er stand aber noch immer wie vergessen da, rührte nicht Hand noch Mund und hielt die Mütze in der einen und das Stück Brod in der andern Hand. Von der wunderbaren Rettung Brosi's sprach Niemand eine Silbe. Als er heimwärts ging und ihm Moni entgegeneilte, ihn auf offener Straße umarmte und weinend rief: »Gott Lob und Dank, daß du gesund bist,« da sagte er: »Ja, ich dank Gott, daß ich dich hab'; ich hab' doch Einen Menschen, der sich freut, daß ich noch da bin, die Anderen, die thun, wie wenn ich gar kein Mensch wär', weil ich von Endringen bin. Das Nest ist's aber nicht werth, daß einer von Endringen hier Burger ist.«
    Moni hatte viel zu thun, ihm diesen Aerger auszureden, sie verschluckte den Kummer, daß er immer Endringen wie ein Paradies lobte und ihren Geburtsort so herabsetzte; nach echter Frauenart sagte sie:
    »Dank Gott, daß er uns nicht härter gestraft hat, weil wir in Unfriede gelebt haben; er hat uns gezeigt, was wir verdienen. Gott Lob und Dank, daß die Warnung so an uns vorbeigegangen ist.«
    Dem Uribasche galt das erste Läuten der Todtenglocke von Haldenbrunn, und seitdem heißt diese Glocke der Uribasche. Dieses Andenken ist länger geblieben als das andere das ihm errichtet ward; das hölzerne Kreuz draußen am Felsen des Kappelberges, wo er den Tod fand, ist längst versunken und verschwunden.
    Am nächsten Sonntag schrieb indeß Brosi in seinen Kalender: »Der Herr über Leben und Tod hat mich vor einem frühzeitigen Ende bewahrt; ihm sei allezeit Preis und Dank. Ulrich Sebastian genannt Uribasche †.«
    Des Uribasches Kalter übernahm die Bedienstung seines Vaters als ein Erbamt; man überließ es ihm ohne Widerrede so lang das Mitgefühl um den Tod des Vaters noch frisch war; gegen Neujahr aber mehrten sich die Klagen, daß man dem halben Simpel die Bewachung des Dorfes überlasse, zumal in so gefahrvollen Zeiten, und der Bewerber fanden sich Viele.
    Brosi ging seiner Arbeit nach; aber auf Allen, die sie vollzogen, lag eine Bangigkeit: der Tod des Uribasche machte sie beklommen und vor der Abfahrt wurde jetzt oft still gebetet.
    Moni erzählte ihrem Manne, daß der Kalte nicht mehr lange Nachtwächter bleibe und Brosi sagte scherzend, das wäre ihm für den Winter ein fröhliches Amt und er würde die Holzfuhren dann aufgeben.
    Am andern Tage sah man Moni ungewöhnlich viel im Dorfe umherlaufen, sie ging bei den Großbauern umher, die im Auerhahn so freundlich mit ihr gesprochen hatten.
    Als es am Neujahrstage zur Wahl kam, erhielt Brosi die gewichtigsten Stimmen; er that aber noch ein Uebriges, theilte das Amt mit dem Kalten, der auch in den kurzen Sommernächten den Dienst allein versehen konnte und im Winter nur

Weitere Kostenlose Bücher