Schwarzwaelder Dorfgeschichten
zerstören, daß er sich zu dem gnädigen Spaß der Großbauern hergebe.
Als er mit seiner Frau heimging, lobte er wiederholt ihre Klugheit und es lag ein tiefer Schmerz um die verlorene Harmlosigkeit darin, als er hinzusetzte: »So geht es Einem, wenn man in fremdem Ort ist, wo man Einen nicht von Jugend auf kennt; da sind die Menschen wie Räuber auf Einen hinein. So gegetreue Menschen, wie in Endringen, die giebt's nicht mehr in der ganzen Welt.«
Das war das Erstemal, daß sich ein seltsames Heimweh in Brosi festsetzte und dieß behielt er, wie wir sehen werden, sein Leben lang.
Achtes Kapitel.
Was ist aber alle Menschengeltung und alles Sinnen und Grübeln, wenn's wieder an die Arbeit geht? Dahin wie der Schatten einer fliegenden Wolke. Das ist der Segen aller Arbeit, zumal der lieblichen Handtirung, daß sie den Menschen wieder auf sich stellt: vergessen und nicht da gewesen ist alle kleinliche Verstimmung, die in der Müßigkeit der Mensch über sich kommen läßt, oder die Andere ihm einflößen.
Wenn Brosi in seine Werktagskleider schlüpfte und seinen Schlitten auf die Schultern nahm, wußte und wollte er nichts mehr davon, ob man ihn für einen närrischen Spaßmacher hielt oder nicht; er hatte eine brave Frau, verdiente sein Brod und noch eine Ersparniß dazu, und nun mögen Andere auch treiben und denken was sie wollen; er pfiff seine Ländler so lustig wie je und blieb dabei, daß er sich seinen Frohmuth von Niemand nehmen lasse.
Es hatte nach einem Thauwetter tüchtig gefroren und mit den Steigeisen sich scharf einhakend, marschirte der Trupp nach der Spitze des Kappelberges. Brosi mußte wiederum zuerst auf die Bahn. Er hatte ein halb Klafter auf den Schlitten und die Sperren geladen, aber kaum ist er damit am Bergeshang, da treibt es ihn so gewaltig, daß es ihn vom Boden hebt, und er zappelnd sich mit beiden Händen noch an der Gabel festhält und durch einen glücklichen Schwung treibt er den Schlitten seitwärts und gewinnt wieder den Boden unter den Füßen, er steift sich mächtig zurück, sich fast ganz zurücklegend und schaut hin und her, um nirgends anzurennen, oder eine Stelle zu erkundigen, wo er einen Widerhalt finde, um festzustehen. Die Kameraden oben schreien und pfeifen, aber er versteht nicht, was sie schreien, und was sie mit dem Pfeifen meinen; er sucht aus dem Gurte zu schlüpfen, den er über die Brust gespannt hat, und der ihn an den Schlitten heftet, er will dann eine rasche Wendung versuchen um sich hinter den Schlitten zu bringen und ihn allein den Berg hinabstürzen zu lassen; aber er kann hüben und drüben keine Hand loslassen; der Gurt reicht ihm vom Bücken schon bis an's Kinn, doch er kann mit dem Kopf nicht durchschlüpfen, und jetzt stößt es ihn plötzlich wieder vorwärts, als ob der ganze Berg hinter ihm dreinschiebe. Er sieht und hört nichts mehr, und fortgeschleudert und mit dem Schlitten über einen Hang hinab durch die Luft fliegend, befiehlt er Gott seine Seele; da kracht und poltert es, er liegt zur Seite geschleudert, er lebt, er hebt den Kopf empor, und dort überstürzt sich der Schlitten zwei- dreimal und liegt endlich an einen mächtigen Felsen angerannt. Brosi erhebt sich auf die Kniee, die zitternden Hände in einander faltend betet er ein Vaterunser, und inbrünstiger wurden diese Worte gewiß nie gesprochen, als hier in der erstarrenden Bergschlucht.
Wäre Brosi nicht auf fast wunderbare Weise aus dem Gurte geschlüpft, er läge jetzt dort am Felsen zerschmettert. Das Herz im Leibe zitterte ihm, als er jetzt aufstehend an Moni und das traurige Geschick des vor der Geburt Verwaisten gedachte; er begann nochmals ein Vaterunser, als er es jenseits des Felsens krachen und splittern hörte, und dann war Alles still. Er konnte nicht weiter und setzte sich wie zerschlagen auf den umgestürzten Schlitten; da vernahm er wieder Schreien und Pfeifen, sie suchten ihn gewiß, und mit angestrengter Kraft rief er laut zwischen die beiderseits vorgehaltenen Hände: Halloh! Von allen Seiten antwortete es ihm, und der Jörgtoni, bei dem Brosi früher als Schlafgänger gewesen war, stand zuerst vor ihm.
»Hast den Uribasche nicht gesehen? Er ist hinter dir drein,« fragte der Jörgtoni, ohne die glückliche Rettung Brosi's mit Einem Worte zu erwähnen.
»Ich weiß von Niemand was, ich dank' Gott tausendmal, daß ich noch von mir weiß,« antwortete Brosi, und bald standen die Anderen mit leeren Schlitten bei ihm; des Uribasche's Kalter jammerte
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