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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Flußbau vollendet war, erhielt Brosi eine ihm genehme Anstellung: er wurde beeidigter Holzmesser. Der gekerbte Maßstab, den er nun immer bei sich führte, war ihm auch als Stock willkommen, denn er hatte sich immer dagegen gewehrt, sich einen andern beizulegen.
    Die großen Holzbeugen, die wir beim Eingang in das Dorf gesehen haben, sind noch von Brosi aufgerichtet. Dieses Aufschichten des Holzes betrieb er mit wahrer Kunstliebhaberei. Wenn er eine lange Gasse aufgestellt und Thüren und Durchgänge darin gelassen, konnte er sich davor hinstellen und allein für sich oder zu Anderen sagen: »Ja der Brosi! Mein Mann ischt koanr.« Beim Ausmessen in Klafter war er äußerst gewissenhaft und von seinem Handwerk her hatte er ein großes Geschick, die Scheite so zu legen, daß gerade das Rechte herauskam; denn man berechnet ein Klafter auf hundert vier und vierzig Kubikfuß, davon werden vier und vierzig als Zwischenraum abgerechnet, so daß für die wirkliche Holzmasse, das was man Derbraum nennt, geradeaus hundert Kubikfuß verbleiben.
    Diese Arbeit war Brosi um so willkommener, weil er nun auch im Sommer jeden Abend daheim seyn konnte, und weil ihm Moni jeden Mittag das Essen in den Wald brachte. Wenn er sie so daherkommen sah, so strack aufrecht und in weißen Hemdermeln wie ein junges Mädchen, jauchzte er ihr zu wie ein junger Bursche. Moni hatte nie vorher gegessen und wußte im Walde immer einen hübschen Platz auszufinden, wo sie sich mit ihrem Manne niedersetzte, mit ihm gemeinschaftlich aß und dann das Ruhestündchen mit ihm verplauderte, das aber immer sie zuerst abbrach. Oft sagte Brosi: »Weible, wir sollten eigentlich jetzt erst siebzehn Jahr alt sein. Jetzt sollten wir erst anfangen, und wenn ich's recht berechne, hab' ich eigentlich nur das halbe Leben mit dir gehabt.«
    »Wir können Gott danken für das, was wir gehabt haben,« beschwichtigte Moni.
    »Freilich, freilich,« stimmte Brosi bei, »aber weißt, ich kann eben gar nicht genug kriegen.«
    »Jetzt ist's aber genug,« schloß Moni aufstehend und ging heimwärts, aber noch aus der Ferne rief sie: »überschaff' dich nicht.«
    Das that Brosi nicht, er vollführte seine Arbeit genau, aber auch gemächlich und hielt streng darauf, daß Alles gut verscheitert sei, denn das Heben und öftere Hin- und Herwenden der großen Scheite war ihm doch beschwerlich.
     
Sechzehntes Kapitel.
     
    Im Winter auf 47, in dem Brosi sechsundsiebenzig Jahr alt wurde, fühlte er sich zum Erstenmal in seinem Leben nicht geheuer; er behauptete es habe ihn »ein Frost gestoßen,« er gönnte sich aber doch keine Ruhe, er war eben, was man einen Schaffmann nennt: so lange er fort konnte entzog er sich keiner Arbeit; aber bald ließ er die Dose stehen und schnupfte nicht mehr, das war für Moni das sicherste Zeichen, daß es etwas Ernstliches war. Er mußte zu Bett und bald zeigte sich, daß er einen mächtig geschwollenen Fuß bekam und zum Erstenmal kam ihm der Arzt über die Schwelle, aber noch jetzt erlustigte er sich an seiner Krankheit und sagte oft: »Es ist nicht mehr als billig, ich muß auf dem Kubikfuß leben, es geschieht mir recht. Verbind' mir meinen Kubikfuß,« rief er dann seiner Moni.
    Alles hatte bei ihm ein heiteres Gepräge und er lachte noch jetzt oft, daß man es die ganze Gasse hinab hörte. Er mußte wochenlang liegen, aber seine Heiterkeit schwand nicht, nur manchmal sagte er: »Der Severin muß doch auch wissen, daß ich jetzt ein guter Siebziger bin; wenn er kommen will, hat er nichts mehr zu versäumen.«
    Eine große Freude hatte Brosi durch einen Gruß, den ihm die Gipsmüllerin sagen ließ; sie war auch krank und ließ Brosi sagen, in stillen schmerzlosen Stunden müsse sie immer daran denken, wie lustig sie auf der Hochzeit ihres Bruders, des Furchenbauern, den Bändelestanz mit ihm getanzt habe und sie höre noch immer die Musik aufspielen.
    Jedem, der ihm einen Krankenbesuch machte, erzählte Brosi diese freudige Botschaft und als er wieder gesund war, wollte er seinen ersten Gang nach der Gipsmühle zu seiner Tänzerin machen; aber man hielt ihn davon ab und in's Herz hinein fühlte Brosi die Nachricht, daß sie bereits gestorben und begraben sei. Eine Jugendfreundin und langjährige Genossin war ihm plötzlich entrückt, es waren ihm schon viele langgewohnte Gestalten dahingerafft worden, er hatte es leicht verwunden; aber jetzt mit einer gewissen Feinfühligkeit des Genesenden empfand er den Schmerz doppelt, es gemahnte ihn, daß der

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