Schwarzwaelder Dorfgeschichten
gehört einem Jeden.«
Die Revolution im Badischen brachte Brosi vielen Kummer, denn die Reibereien zwischen den Endringern und Haldenbrunnern gediehen auf's Höchste, die Haldenbrunner wurden immer »faule Schwaben« geschimpft. Dazu lebte noch Brosi's Schwiegersohn, der Petersepp, bei seinem Schwäher verborgen im Walde.
Die Reaction brachte aber Brosi nicht minderen und noch weit tiefer gehenden Kummer. Es war nicht der Schmerz um die vereitelten Hoffnungen des Vaterlandes, die ihm zu Herzen gingen, er hatte sie nie recht begriffen und nur immer gedacht, Haldenbrunn und Endringen sollten wieder Eins werden. Es war ein ganz Anderes, was Brosi tief betrübte: die Verordnung, daß am Sonntag nicht mehr auf der Straße gesungen werden durfte, die Einsetzung des Sittengerichtes der Pfarrgemeinderäthe, wozu man ihn auch wählen wollte, was er aber entschieden ablehnte, vor Allem aber jene hochweise fürsorgliche Verordnung, daß fortan alle Kirchweihen im ganzen Lande auf Einen Sonntag festgesetzt wurden, so daß aller nachbarliche Besuch abgeschnitten war. Zwar lag Haldenbrunn so an der Grenze, daß man meist badischen Besuch erwartete und dieser kam auch reichlich, da jenseits im glückseligen Belagerungszustande keine Musik gehalten werden durfte; aber man stand doch auch mit Landesangehörigen in Verbindung, und wenn man auch das Verbot umging, daß man doch noch eine stille Feier veranstaltete und der hohen Fürsorge nun eine doppelte Kirchweih verdankte, es war und blieb doch mißlich.
Vom Gemeinderath in Haldenbrunn, in dem Brosi noch saß, ging eine Eingabe an die hohe Regierung um Aufhebung der Kirchweihordnung; aber sie ging nur bis in die Amtsstadt und ist dort selig entschlafen.
Siebenzehntes Kapitel.
An der nächsten Kirchweih war Brosi's fünfzigjähriger Hochzeitttag. Man redete ihm viel zu, daß er seine goldene Hochzeit feiere, aber besonders Moni hatte eine Scheu und einen Aberglauben davor, und ängstliche Freundinnen vermehrten dieß noch mit der Erwähnung, daß man nach einem solchen Fest gewöhnlich nicht mehr lange lebe und Brosi, dem eigentlich doch das Herz daran hing, wollte ihr nicht zureden.
So kam der Frühling des vorletzten Jahres heran, die beiden alten Leute hielten immer fester zusammen und Moni war oft ganze Tage bei ihrem Mann und kochte im Walde. Einst sagte Brosi zu ihr:
»Wenn unser Severin käm', sag, thätest du da die goldene Hochzeit feiern?«
»Ja, wenn mein Severin käm', ja, da thu ich's, da hab' ich genug gelebt.«
»Ich mein' auch,« sagte Brosi wieder, »ich mein' ich hab's einmal in einem Lied gehört: mit dem Blumenstrauß auf der Brust darf das Herz zu schlagen aufhören. So geht mir's auch. Ich möcht' lustig sterben.«
Und als er das sagte, war's ihm, als hörte er die Stimme seines Severin.
Moni ging heim, er schaute ihr lange unwillkürlich nach. Da kam ein Landjäger durch den Wald. Oft, wenn der Schultheiß und kein anderer Gemeinderath zu Hause war, kamen die Landjäger, die das Dorf passirten, zu Brosi, um sich die Stunde ihrer Anwesenheit in ihrem Dienstbuche bescheinigen zu lassen. Brosi war an ihren Anblick gewöhnt, und doch erschrack er heute als er den Landjäger von fern sah. Als er näher kam, erkannte er den Stationscommandanten, der ihn freundlich grüßte. Brosi schrieb ihm mit Bleistift die gewünschte Bescheinigung ein und sprach noch über Allerlei, da sagte der Landjäger:
»Habt Ihr nicht einen Sohn gehabt, der Wilhelm Severin heißt?«
»Ja, ja, warum? was ist?«
»Im Verordnungsblatt, das ich wegen der Steckbriefe halten muß –«
»Was? was? Was steht da?«
»Nichts Böses, da ist ein Wilhelm Severin Heller von Haldenbrunn zum Oberbaurath ernannt.«
»Ihr habt mich zum Narren, das ist nicht recht. Wenn Ihr einen Narren wollt, lasset Euch einen drechseln.«
»Thut mir leid, daß ich das Verordnungsblatt nicht bei mir hab', es steht deutlich darin.«
»Aber er wird nicht von Haldenbrunn sein, es giebt viele mit Namen Heller und es kann noch ein anderer Wilhelm Severin heißen.«
»Auf mein Wort, es steht deutlich: von Haldenbrunn. Ich bin nicht der Mann, der Spaß macht,« sagte der Stationscommandant etwas bitter.
Brosi stand da und hielt die leeren Hände vor sich hingestreckt, als ob er noch ein Scheit holte; er starrte wie verloren drein und als ihm der Landjäger die Hand auf die Schulter legte, zuckte er zusammen und fuhr sich in die weißen Haare, die sich emporsträubten. Der Landjäger wollte weggehen,
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