Schwarzwaelder Dorfgeschichten
sich davon schlich und bald über den Steg rannte.
Die Mittagskriche war schon zu Ende, aber weder Petersepp noch Severin waren zurückgekommen. Brosi zog seinen Rock an und ging nach dem Auerhahn, er wollte seine Frau walten lassen und diese schickte den Kilian und bald nach ihm den Franz fort. Es wurde Nacht als alle Ausgesandten wieder kamen, aber ohne den Severin, ja, sie hatten ihn nicht einmal gesehen; nur der Petersepp brachte die Kunde, die er von einem Endringer erfahren: dieser hatte den Severin bei der Bömleswiese getroffen, er sei ganz heiter gewesen und habe gesagt, er gehe in die Fremde, zuerst in die Schweiz zu seinen Basen.
Fünfzehntes Kapitel.
Es war nun wieder Ruhe und Stille im Haus, aber der Friede und die Freude wollten lange nicht in dasselbe einkehren. Moni merkte wohl, daß ihr Mann im stillen auch traurig über den so feindseligen Weggang ihres jüngsten Sohnes war, und er mußte es um so mehr sein, da er doch eigentlich schuld daran war; sie suchte daher nach den ersten jammervollen Tagen ihren lauten Schmerz zu bewältigen, aber den zurückgelassenen Ranzen konnte sie nie ohne Thränen ansehen, da war noch Alles gepackt, und die neuen nägelbeschlagenen Stiefelsohlen kamen ihr so traurig vor, als läge ihr Sohn zu Boden geworfen und sie stehe vor seinen Füßen.
Am dritten Sonntag, während Brosi in der Morgenkirche war, packte sie endlich aus und legte es zu oberst in ihren Kasten; sie weinte viel dabei, war aber als dieß abgethan war, wieder heiterer. Sie hatte nach Basel an ihre Verwandten geschrieben, aber diese antworteten, daß sie Nichts vom Severin gesehen hätten. Im Dorfe hieß es nur im Allgemeinen, der Severin sei im Zorn von seinem Vater davongegangen; die Geschwister und die Tochtermänner hüteten sich wohl, etwas von der Familienstreitigkeit unter fremde Leute zu bringen. Man hörte lange nichts von Severin. Erst als Brosi selber wieder in die Fremde zog, sagte ihm der Revierförster, der jetzt schon Auerhahnwirth war:
»Ich hab' sechs Wochen, nachdem dein Severin fort gewesen ist, Briefe von ihm gehabt aus Mainz.«
»So? und was schreibt er?«
»Er bittet mich als seinen Gevatter, ich soll bei dir anhalten, du mögest ihm doch was Geld schicken.«
»Hast ihm Antwort geschrieben?«
»Ja.«
»Ohne mein Wissen? Und was denn?«
»Was ich gewollt hab'. Ich hab' ihm geschrieben: wenn ein Mensch wie er sich nicht allein fortbringen kann, soll er heimkommen und seinem Vater helfen Kartoffeln schälen.«
Es nützte nichts, daß Brosi den Gevatter über seine eigenmächtige Handlungsweise hart anließ, und er getröstete sich endlich, daß er seinen Sohn gewiß in Mainz oder beim Bau des »Dunkelnels« finden werde. Er machte sich schon im Voraus das Verfahren zurecht, das er gegen ihn beobachten wolle, und war nur zweifelhaft, ob er den Ranzen gleich mitnehmen solle; aber es war besser, dies zu unterlassen, denn man konnte doch einander verfehlen, und Moni war wieder auf's Neue aus ihrem eingeschlummerten Leidwesen geweckt.
Frohen Muthes zog Brosi mit seinen beiden Söhnen aus, er fand in Mainz richtig die Spur seines Severin, aber von da an war nichts mehr zu erkunden.
Der Schmerz um den verlorenen Sohn lebte noch in beiden Eltern fort, in Moni allerdings noch stärker, aber die Alles heilende Zeit und noch mehr die lebendige Erfüllung der Tagespflicht, sowie die Sorge um Kinder und Enkel hüllte Alles bald in einen sanften Dämmer. Am Namenstage des Severin sagte Moni einmal:
»Es ist mir wie vorbedeutend, mein Severin ist das einzige Kind gewesen, das an der Muttermilch nicht genug gehabt hat, ich hab' ihm schon mit zehn Tagen noch was dazu geben müssen, und so mein' ich wär' sein Wandern auch; er hat eben an der Muttermilch nicht genug gehabt. Aber hart ist's doch, daß er seine alten Eltern so in Jammer läßt und uns so ganz vergißt. Der Lehrer sagt auch, er begreife das nicht und der hat ihm immer die Stang' gehalten.«
»Das versteh' ich so gut als der Lehrer und als der Pfarrer,« erwiderte Brosi. »Es ist schon so. Gott hat uns eben eine Anfechtung schicken müssen, daß wir zeigen, ob wir brav und lustig bleiben; auf ebenem Weg wär' das keine Kunst gewesen. Drum müssen wir das haben, weil wir Gottlob sonst nichts zu klagen hätten.«
Brosi bewies es, daß er nicht nur brav, sondern auch lustig geblieben war. Bei der Hochzeit seines Erstgeborenen, der die Großmagd des Furchenbauern bei Endringen heiratete, die sich ein Erkleckliches verdient
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