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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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und der viele Stunden weit durch einen Berg führte. Severin ließ es sich nie nehmen, den Vater zu berichtigen, daß es Tunnel und nicht Dunkelnel heiße.
    Ueberhaupt muß man sagen, daß Severin nicht dem Beispiele Sems des Sohnes Noah folgte; wo sich sein Vater eine Blöße gab und etwas falsch erzählte oder unrichtig erklärte, konnte man sicher sein, daß Severin einfiel: das ist ganz anders, das ist so und so. Er hatte in der Regel Recht und zeichnete mit Kreide Alles zum besseren Verständniß auf den Tisch. Brosi kämpfte immer mit sich, ob er stolz darauf sein solle, einen so gescheiten Malefizbuben zu haben, oder, wie er berechtigt war, sich ärgern sollte, so hingestellt zu werden. Er wurde nicht darüber einig, aber so viel zeigte sich doch: daß er im Grund des Herzens keinen Haß auf den Severin hatte, denn er sagte stets: »Mein Kilian und mein Franz müssen aus heirathen, und mein Kleiner kriegt des Vaters Gut.« Seitdem Brosi noch mehr Wiesen und sogar einen Morgen Wald gekauft hatte, nannte er sein Besitzthum stets halb spöttisch, halb ruhmredig sein Gut.
    In dem Jahre als Franz, der ebenfalls Soldat und zwar Kanonier geworden war, den Abschied erhielt, mußte Severin zur Loosung, und in diesem Herbste kam der Vater in voller Entzweiung mit dem jüngsten Sohne nach Hause. Keiner von Beiden hat je genaue Auskunft darüber gegeben, wie weit ihr Streit gediehen war, ja Severin schwieg ganz darüber; nur Brosi erzählte, sein Sohn habe gesagt, daß er lieber vorher desertire, wenn er wüßte, daß er Soldat werden müsse, und darauf habe Brosi ihm gesagt und bewiesen, daß er ihn eher erwürge, ehe er sich durch ihn die Schande anthun lasse, seinen ehrlichen Namen in die Zeitung und sogar in einen Steckbrief zu bringen.
    Brosi geleitete seinen Severin selber in die Stadt zur Loosung, und als dieser jubelnd berichtete, daß er sich frei geloost habe, schüttelte der Vater den Kopf und sagte: »Ist mir nicht recht. Es wäre dir gesund gewesen, wenn sie dich unterm Militär ein bisle gezwiebelt hätten.«
    Von nun an hatte Severin keine Ruhe mehr im Hause, er konnte nicht mehr auf einem Stuhle stillsitzen, sondern lief immer aus und ein, und wenn er mit dem Vater und den Brüdern beim Gipsmüller dreschte, traf er oft im Selbstvergessen die Dreschflegel seiner Genossen und in dem Hause, wo nie ein Zank gewesen war, gab es jetzt täglich einen Lärm, daß die Leute auf dem Gäßchen stehen blieben; denn der Brosi schalt seinen Severin und war doppelt böse, weil dieser ihm meist gar keine Antwort gab.
    Endlich brachte es Moni mit vieler Mühe dahin, daß Severin sich ein Wanderbuch holen und ein paar Jahre in die Fremde ziehen durfte. Ein neuer Ranzen wurde gekauft und ein dauerhafter Inhalt von Kleidern und Wäsche dafür hergerichtet; der Severin aber gab dem Vater noch immer kein gutes Wort.
    Am Sonntag Morgen, als die ganze Familie beisammen war, die kaum die Stube fassen konnte, der Kaspar und das Rösle mit drei Kindern, die Mariann' und der Petersepp aus Endringen und Kilian und Franz mit den Eltern, da packte Severin alles Hergerichtete ein, und als er die letzte Schnalle zugezogen hatte und den Stechpalmenstock, den er sich auf dem Kappelberge geschnitten, in die Hand nahm, schnupfte Brosi schnell eine Prise, die er zwischen den Fingern hatte und sagte, die Hand auf den Ranzen legend:
    »Schad', Schad' um das schöne gute Sach. Wie bald wirst du das verlumpen.«
    »Ich will gar nichts von Euch, gar nichts!« schrie Severin zornroth und warf dem Vater den Ranzen vor die Füße, »behaltet Alles. B'hüt Gott, Mutter, b'hüt Gott, Geschwister.«
    Und hinaus rannte er aus der Stube und über den Steg und nahm nichts mit, als den Stechpalmenstock in der Hand und das Wanderbuch in der Tasche.
    Die Mutter und Geschwister schauten ihm nach und riefen ihm, aber er kehrte sich nicht um und Brosi stand wie festgebannt und schaute immer auf den Ranzen vor seinen Füßen. Die Mutter wollte den Kilian und den Franz und ihre Schwiegersöhne dem Flüchtigen nachschicken, aber Brosi rief mit starker Stimme:
    Da bleibet ihr, Keiner, kein Mensch sag' ich darf ihm nach. Er muß allein wieder kommen und kommt er nicht, so soll er zum Teufel gehen; aber er kommt, sei ruhig Moni, heul' nicht, er kommt schon wieder.«
    Man harrte still, Keines sprach ein Wort, es läutete zur Mittagskirche, aber Niemand ging dahin und Brosi that, als ob er nicht merkte, daß der Petersepp mit einem verständigenden Blicke auf die Mutter

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