Schwarzwaelder Dorfgeschichten
hatte, tanzte Brosi trotz des nicht vergessenen Kummers um seinen Severin wiederum so, daß er mit vollem Nachdruck sagen konnte: »Mein Mann ischt koanr.« Und dies zeigte er nicht nur in der Heiterkeit, sondern auch in der Arbeit; er zog im härtesten Winter beim Dreschen nie eine Jacke noch Handschuhe an, und wenn man ihn darob rühmte, konnte er ausrufen: »Ja der Brosi, es ist nicht wahr, daß ich schon hinten in den Sechzig bin, ich bin erst siebzehn Jahr alt und sei es wie es will, ich bleib' dabei, die schönsten Jahre sind die von sechzig bis neunzig. Ich bin Anno Siebzig geboren, drüben wie man noch siebzehn geschrieben hat, ich muß es hüben auch schreiben, da wird nichts abgehandelt, ich will wenigstens noch vier Jahr Trinkgeld.« Wenn er so redete, hielt er immer seine Dose fest in der linken Hand, knickte ein wenig in die Kniee und hob sich, als wollte er in die Höhe springen.
Die Auswanderung nach Amerika, die sich immer mehr auf dem Schwarzwalde ausbreitete, hatte auch Haldenbrunn ergriffen, und Keiner ging fort, der nicht einen besonderen Abschied bei Brosi und Moni nahm und Brosi trug getreulich alle ihre Namen in seinen Kalender ein. Diese Auswanderungen, so manchen Schmerz sie auch brachten, waren doch für Brosi und Moni trostreich: sie sagten jedem Davonziehenden, er solle sich nach dem Severin umschauen und von ihm berichten. In alle Weltgegenden gingen nun lebendige Botschaften, die doch Etwas von dem verlorenen Sohne erkunden mußten, und die beiden Eheleute bestärkten sich dann darin, daß sie sich bedünken lassen mußten, ihr Sohn sei übers Meer gewandert, er lebe noch und sie wüßten nur nicht wo und wie und dürften hoffen, ihn einst wieder zu sehen.
»Aber weißt,« setzte dann Brosi hinzu, »ich möcht' ihn doch noch da auf der Bank sitzen sehen; droben auf dem Himmelsstuhl ist mir's doch ein bisle zu spät, und ich möcht' ihm doch auch noch sagen, daß ich ganz gut mit ihm bin und er auch mit mir, und wir könnten Beide ruhiger sterben.«
Moni seufzte still, sie konnte ihrem Mann nicht sagen, wie ihr zu Muthe ward, wenn von Severin die Rede kam; daß er noch lebte, sagte ihr eine innerste Zuversicht und sie zweifelte gar nicht an deren Wahrheit.
Die Ausgewanderten schrieben in ihren Briefen, daß sie nichts von dem Severin erfahren hätten; aber Jedes schrieb einen besondern Gruß an Brosi und Moni, und die Neuverheiratheten setzten oft hinzu, daß sie weiter nichts wünschen, als sie möchten auch eine so gute Ehe haben wie Brosi und Moni.
»Siehst,« sagte dann Brosi, »in Amerika reden sie von uns. Moni, wie meinst? Wenn wir's erleben, halten wir goldene Hochzeit und lassen uns noch einmal zusammen geben, oder willst mich nimmer, und soll ich mir eine Andere holen? Darfst's nur sagen, du hast das Jawort.«
Jedem Begegnenden erzählte Brosi, was die Ausgewanderten an ihn geschrieben hätten und war allezeit wohlgemut. Wer ihn von fern sah, lächelte im Voraus, denn er wußte, daß der Brosi ihm etwas Erheiterndes sagen würde und er verrechnete sich nie, und Brosi ward dadurch selber immer heiterer; denn wie das Lied den fremden Hörer erfreut, so strömt es auch die Lust wieder auf den Singenden zurück. Im Erheitern Anderer, in dieser allzeitigen Gewißheit eines Jeglichen, daß der Brosi nicht anders als lustig sein könne, war er es auch und hob sich selber über jeden innern Verdruß hinweg.
In Folge der Auswanderung hätte Brosi jetzt leicht ein anderes Haus bekommen können, aber er sagte stets: »Ich bleib' jetzt einmal auf meinem Gut,« und Moni setzte hinzu: »da haben wir zu leben angefangen und da wollen wir's auch beschließen.«
»Aber noch lang nicht, die ander Welt lauft mir nicht davon,« schloß dann Brosi, »und das sag' ich dir Moni: wenn du mir das anthust, daß du vor mir davon gehst, bin ich dir mein Lebtag bös und wenn ich 'nüber komm' red ich nichts mit dir.«
Es gab in der That keine glücklicheren Menschen als Brosi und Moni, und dazu waren sie allzeit gesund. Wäre der Kummer um Severin nicht gewesen, sie hätten gar nicht gewußt, was Leid ist.
Im Jahre 41 vollführte Brosi seine letzte Maurerarbeit und zwar am Forlenbache. Dieser wurde von der Regierung zur sogenannten Wildflößerei eingerichtet; das Brennholz, das hier auf dem Walde fast ganz werthlos war und wofür man kaum die Aufbereitungskosten erlöste, wurde durch Schwellungen thalwärts geschwemmt und von dort auf der Achse nach dem holzarmen Unterlande gebracht. Als der
Weitere Kostenlose Bücher