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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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ob sie in der Stube wären. Moni wollte hinausgehen und die Leute zur Ruhe gemahnen, aber als sie sich erhob, merkte es Brosi und erwachte, sich verwundernd, daß er am Tage schlafe; er fühlte sich ganz gestärkt, da er das Versäumte von gestern Nacht nachgeholt habe. Brosi war wie immerdar heiter und aufgeräumt; nur als Moni bemerkte, der Franz mit seiner Frau sei da gewesen und habe nachsehen wollen, wie es dem Vater gehe, da sagte dieser:
    »Jetzt sind alle unsere Kinder fort, jetzt sind wir doch wie ein entlaubter Baum,« als aber während dieser Worte des Rösles Monika eintrat, die nun bei den Großeltern wohnen wollte, sagte er: »Richtig, da kommt ja unsere Wurzelbrut. Weißt Alte? Es giebt Bäum', die wieder an der Wurzel ausschlagen. Recht so, bleib du bei deiner Ahne und gieb Acht, daß du so wirst wie sie und leid's nicht, daß sie zu viel schafft.«
    Brosi hatte nun drei eigene Familien im Orte, die er besuchen konnte und war nun auch mit dem größten Theile des Dorfes verwandt, und wenn sich hier auf dem Walde Alles Vetter nennt, so hatte das bei Brosi noch eine besondere Berechtigung. Er ließ sich's aber auch nicht nehmen, noch diesen Winter regelmäßig zu dreschen und wenn ihm auch weh dabei geschah, gestand er es weder sich noch seinen Genossen. Wenn ihm die Leute sagten, er solle sich doch zur Ruhe setzen, er sei ja vermöglich, habe seine Kinder alle versorgt und wenn er etwas Uebriges brauche, werde sich der Oberbaurath eine Freude daraus machen, ihm solches zu geben, da sagte er:
    »Mein' größte Freud' ist, daß ich's haben könnt' und nicht brauch'!«
    Um Neujahr zeigte Severin die Geburt eines Töchterchens an und der Winter ging still und heiter vorüber, nur war es eine traurige Botschaft, daß um Lichtmeß der Gipsmüller starb. Brosi ließ es sich nicht nehmen, seinem Leichenbegängnisse sich anzuschließen, aber er ging, wie er sagte, des schlüpfrigen Weges halber am Stocke über Feld und stand oft still und verschnaufte. Als er von Endringen, wo der Gipsmüller begraben wurde, zurückkam, sagte er:
    »Das Sterben sollt' nicht sein, aber es ist einmal so Gottes Ordnung. Aber Moni, unser Haus da drüben ist doch schön, es müßt' sich doch gut drin wohnen.«
    Noch oft kam Brosi auf sein Gelüste, in dem schönen Hause zu wohnen, aber es war doch nie weiter, als eine gewisse flüchtige Unbefriedigtheit des Alters, das leicht in allerlei Planen und Wünschen sich ergeht und dem es schließlich doch am liebsten ist, wenn es beim Altgewohnten sein Verbleiben hat.
    Im Frühling ging Brosi wieder in den Wald an seine Arbeit, des Jörgtoni's Kaspar half ihm, und Brosi sah es gern, daß dieser sich in seine Stelle setzte, für den Fall, daß er sie nicht mehr versehen könne. Beim Ausgehen und bei der Heimkehr verweilte Brosi da und dort bei Altersgenossen, die in Leibgedingstuben wohnten und ließ sich von ihnen lang und breit ihre Gebresten erzählen, er selber klagte nicht und sagte nur oft:
    »Wenn ich's in meiner Jugend besser gehabt hätt und mich nicht so hätt' schinden und plagen müssen, ich wär hundert Jahr alt geworden.«
    Auch daheim kam er oft hierauf zu reden. Das Gehen wurde ihm immer schwerer, aber so lange er nur fortkriechen konnte, ging er seiner Arbeit nach, und man sah es, wie er sich gewaltsam aufrecht hielt und für jeden noch immer eine Scherzrede hatte.
    Es war am Tage nach Jakobi – noch gestern war Brosi im Auerhahn gewesen und hatte viel davon gesprochen, wie leid es ihm thue, daß seine Söhnerin in ein Bad gemußt habe und nicht nach Endringen käme, er wäre ihr zu lieb doch dahin gezogen – heute konnte Brosi nicht mehr gehen, sein Kubikfuß stellte sich wieder ein, er mußte zu Bette bleiben oder in dem großen Armstuhl sitzen, den Agy geschickt hatte.
    Die beiden älteren Söhne waren weit in der Fremde, aber Severin kam einmal und besuchte seinen Vater, und zum Erstenmale hatten seine starren Züge etwas Lindes. Brosi behauptete, daß es gar keine Gefahr habe, und des Rösle's Monika mußte ihm oft stundenlang die Geschichten aus den alten zerlesenen Kalendern vorlesen, durfte aber nicht in die Einzeichnungen von seiner Hand sehen. Die Frau saß schon jetzt im Sommer an der Kunkel und spann; Brosi that einmal die seltsame Frage:
    »Was spinnst?«
    »Tuch zur Aussteuer für unsere Monika.«
    »So? Das ist recht,« sagte Brosi und war lange still; er mußte an sein Todtenhemd gedacht haben.
    Die Hühner kamen jeden Mittag vor den Stuhl Brosi's, und er

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