Schwarzwaelder Dorfgeschichten
brockelte ihnen Brod; aber auch viele befreundete Menschen kamen, ihn aufzuheitern, dessen bedurfte es aber nicht, denn er war noch immer der Lustigste von Allen.
Schon als Brosi das Bett nicht mehr verlassen konnte, war er noch immer ein säuberlicher Kranker. Der Bader mußte jeden Samstag kommen und ihm den Bart abnehmen, und war es schon an sich schwer, aus den vielen Falten des eingefallenen Gesichtes die Bartstoppeln heraus zu kriegen, so erschwerte es noch Brosi durch die vielen Späße, die er machte, so daß der Bader oft vor Lachen absetzen mußte.
Eines Tages sagte Brosi mitten im Gespräche zu seiner Frau:
»Ja, daß ich's nicht vergeß. Ich dank' dir tausend und tausendmal für all die Liebe und Güte, die du mir angethan, und wenn ich jetzt oft krittlich bin, denk' nur, das bin ich nicht, ich kann nicht anders. Es wird schon wieder besser, wenn ich wieder gesund bin. Und wenn ich sterb', laß mich nicht zu lang auf dich warten, aber dießmal nimmt's mich noch nicht. Wart' nur, bis es wieder Winter ist, ich bin im Winter immer besonders wohlauf.«
Moni setzte sich so an die Kunkel, daß es ihr Mann nicht sehen konnte und die Thränen fielen ihr auf die Hand, und sie benetzte den Faden damit, den sie spann. Sie sagte es nicht, aber sie bestimmte dieses Tuch zu ihrem eigenen Todtengewand.
Brosi verlangte selbst nach dem Geistlichen und seiner letzten Wegzehrung; er konnte es doch nicht lassen, wegen Agy's zu beichten, aber der Geistliche war mild genug, ihn zu trösten.
Auch den Gemeinderath ließ Brosi zu sich kommen und befahl, daß man bei seinem Begräbnisse lustige Tanzmusik aufspielen solle, er sei lustig in der Welt gewesen und wolle auch lustig hinaus. Man versprach nach seinem Willen zu thun.
Des Rösle's Monika war eine rüstige Pflegerin, denn die Großmutter wußte sich vor Herzbrechen gar nicht zu helfen.
Es kamen Tage, in denen Brosi überaus lustig war, seine Enkelin mußte singen, und er sang mit und ermahnte auch Moni dazu.
Einmal in der Nacht als die junge Monika bei ihm wachte, rief er mit starker Stimme:
»O lieber guter Gott! Laß mich doch noch leben. Ich will noch alles Holz messen bis an den Rhein, ich will den Kappelberg ganz allein durch und durch graben, laß mich leben, oder wie du willst, aber nur nicht lang leiden. Mach's kurz.«
Als man in der Ferne den Nachtwächterruf hörte, summte er gegen die Wand gekehrt vor sich hin:
Alle Sternlein müssen schwiden
Und der Tag wird sich einfinden ...
Der jungen Monika wurde es schwer angst, aber sie wagte es nicht, nach Jemand zu rufen und jetzt den Kranken zu verlassen, und einmal wendete er sich wieder um und sang mit geschlossenen Augen:
»Weil Scheiden bitter ist
Und 's Lieben süß ....«
Gegen Morgen that er einen mächtigen Schrei, die Frau sprang von dem Stuhl, auf dem sie eingeschlafen war, und in den Armen seiner Moni starb Brosi. –
Es war am Freitagmorgen, am Tage Himmelfahrt Mariä, als Brosi starb und als der Uribasche – die Todtenglocke – läutete, betete ein Jedes still im Dorfe, Jedes wußte, wer verschieden war.
Erst am Montag Morgen wurde Brosi begraben, man hatte nach den Söhnen geschrieben und sie kamen und gingen hinter seiner Leiche. Auf dem Sarge lag Hammer und Kelle und der Maßstab, der Brosi als Stütze gedient. Die polizeiliche Ordnung duldete es nicht, daß man den Wunsch des Verstorbenen erfüllte, und ihm Tanzmusik zu seinem Leichenbegängnisse aufspielte, aber weil Brosi Gemeinederath gewesen war, wurden eine Stunde lang in dreimaligen Absätzen alle Glocken geläutet. Es war ein heller Sommermorgen voll Lerchensang und Sonnenschein und so weit man die Glocken in den Bergen vernahm, standen die Waldarbeiter still, legten die Aexte hin und beteten für Den, den man begrub, ein Vaterunser; und wer mit Genossen arbeitete sprach mit ihnen davon, wie gern ein Jedes dem Brosi die letzte Ehre erwiesen hätte, daß man aber keines Taglohnes ermangeln könne.
Nur noch dreimal war Moni in der Kirche als man ihrem Manne die Todtenmessen las; sie lebte ruhig aber fast wortlos, dazu war sie noch fast stocktaub geworden. Und als das Tuch von der Bleiche kam, das sie in diesem Sommer gesponnen, entschlummerte auch sie.
Als die erste Trauer vorüber war, lebten Brosi und Moni in der Erinnerung aller Menschen wie der Nachhall einer Tanzweise, die sich von selber fortsingt, nachdem man den Ort der Lustbarkeit weit hinter sich hat.
Das Jahr darauf heirathete der jüngste Sohn des
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