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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Wie lohnte sich's ihr jetzt auf ihre alten Tage, daß sie selber noch so spät deutsch schreiben und lesen gelernt hatte. Die beiden alten Leute, die nie viel über Religion nachgedacht hatten, sprachen jetzt im Walde viel über die Unterschiede derselben, die Nähe des Grabes mochte Einiges dazu beitragen, aber erweckt zu solchen Erörterungen wurden sie doch nur durch Agy; die Agy war so lieb und gut, die konnte doch nicht auf ewig verdammt sein. Moni hatte großes Zutrauen zu dem Geistlichen; sie wünschte, daß man sich seines Rathes erhole, aber Brosi wehrte ab, indem er sagte:
    »Was kann er für Auskunft geben? Er ist geistlich und darf sei' Sach' nicht verunehren. Und was könnt' am Ende dabei herauskommen? Daß wir Unfriede machen in unseres Severins guter Ehe? Nein, das will unser Herrgott nicht, und seit jenem Sonntag ist mir's so, daß kein Mensch den andern verdammen darf, wenn nur jeder aufrichtig und wahrhaftig bei dem seinigen ist. Wenn die Agy einmal 'rüber in Himmel zu uns kommt, muß sie unser Herrgott zu uns lassen, ich will's schon sagen und unser Herrgott weiß es ja auch, daß sie nichts dafür kann; sie ist so geboren und erzogen, sie kann nichts dafür.«
    »Die Vögel im Wald, da pfeift ein Jedes anders, und es heißt doch, daß Alle Gott lobsingen,« bestätigte Moni.
    »Das ist ein gescheites Wort, so muß des Brosi's Frau reden,« schloß der Eheherr. »Das hat sein Mäß,« setzte er hinzu und hob die obere Querstange aus einem geschichteten Klafter. Es war unklar, ob er die letzten Worte buchstäblich auf das Holz oder bildlich auf das Religionsgespräch bezog.
    Die Tage wurden bald immer kürzer, und es ist eine alte Erfahrung, daß man deren Abnehmen viel mehr merkt als das Zunehmen. Je weiter es dem Herbste zuging, je mehr empfand Moni ein eigenthümliches bräutliches Bangen, während Brosi mit Jubel seiner goldenen Hochzeit entgegensah. Mehrmals äußerte Moni ihre Beklommenheit, aber ihr Bräutigam, wie sich Brosi nannte, redete ihr solche aus und suchte sie mit seiner eigenen Freudigkeit zu erfüllen; sie gab sich um Brosi's willen Mühe, Allem heiter entgegen zu sehen und in dieser Bemühung ward sie von selbst freudig.
    Endlich waren es nur noch wenige Tage bis zur Kirchweih, da kam Severin und dießmal ging er nicht allein nach Endringen, Vater und Mutter mußten ihn begleiten. Brosi fuhr sich mehrmals rechts und links über die Augenbrauen, als er unweit des Petersepp Haus in dem Grasgarten, dort wo er sich's gewünscht hatte, ein Haus stehen sah, zierlicher und feiner als er sich's je wünschen konnte, und Severin darauf deutend sagte:
    »Vater das ist Euer. Da sollet Ihr mit der Mutter wohnen, so lang Euch Gott das Leben erhält, und ich wünsch' nur, daß es recht lang sei. Das schenkt Euch mein Agy als Hochzeitgeschenk.«
    Starr mit offenem Munde betrachtete Brosi bald seinen Sohn, bald das Haus und endlich sagte er mit unvermutetem Lachen:
    »Das Haus da? Das ist mir viel zu schlecht. Nicht geschenkt nehm' ich's.«
    »Ich bitt' Euch Vater, macht keinen Spaß,« entgegnete Severin in seltsamer Gereiztheit.
    »So? Meinst du, du darfst allein Spaß machen und noch dazu mit deinem Vater?«
    »Ich mache nie Spaß. Ich meine es im völligen Ernst. Das Haus ist Euer. Mutter, saget Ihr, wie gefällt's Euch?«
    »Wohl, ganz wohl, aber das ist nichts für uns.«
    »Ich gebe Euch mein Wort. Es ist für Euch. Es ist auf Euern Namen hier beim Bürgermeisteramt eingetragen.«
    »Das ist zu vornehm. Das ist für dein Weible, für die paßt's.«
    »Dafür ist es allerdings auch hergerichtet. Meine Frau wünscht nichts sehnlicher als die Sommermonate hier oben zu wohnen. Sie will bei Euch sein.«
    »Wir wollen all' Woch zu ihr auf Besuch kommen, sie soll nur allein hier wohnen und will's Gott mit dem Kind.«
    Der Bürgermeister, zu dem Severin geschickt hatte, kam aus dem Dorfe und übergab Brosi die Schlüssel und einen neuen Bürgerbrief. Brosi nahm Beides unwillkürlich in die Hand, schaute nach dem Hause und schüttelte unwillkürlich mit dem Kopf.
    Das Landhaus war schön, im Stil der englischen Cottages und doch in freier Umbildung nach dem landschaftlichen Charakter und Bedürfniß.
    Nur mit Mühe brachten es Severin und der Bürgermeister dahin, daß die Eltern in das Haus eintraten.
    Die Räume waren hell und bequem. Brosi fühlte oft an die Wände und nickte, da er sie trocken gewahrte.
    »Du bist ein Hexenmeister,« sagte er zu seinem Sohne, als dieser erzählte, wie er den

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