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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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aber ich sag's nicht!«
    »So thu's oder ich werde wild.«
    »Du bist ein närrischer Kerl, ein Wort läuft ja an Einem 'runter.«
    »Ich will's aber noch einmal von dir hören, nur noch Einmal.«
    »Viereckig ist besser als rund,« sagte ein anderer Bursche und kaum hatte Xaveri diese Worte gehört, als er eine Baumstütze am Wege ausriß und den Philipp traf, daß er zu Boden stürzte.
    Nun erhob sich allgemeines Schreien, Schlagen und Fluchen, und es hallte weit hinein durch das Dorf. Der Nachtwächter eilte herbei mit seiner Hellebarde und einer Laterne, ihm folgte der grausig Mall mit dem Gewehr über der Schulter. Ihr Ruf nach Ruhe wurde nicht gehört, denn wie ein wilder Knäuel wälzte sich Alles am Boden. Da schoß der grausig Mall über ihren Köpfen weg und in wilder Flucht stob Alles auseinander. Einen aber, der mit Steinen nach ihm warf, glaubte der grausig Mall zu erkennen, er verfolgte ihn und im nahen Wald stellte er sich ihm selber, drang auf den Verfolger ein und rang heftig mit ihm. Der Polizeisoldat riß sich los, faßte sein Gewehr und zerschlug auf dem Haupte seines Gegners den Kolben in Stücke; gleich als wäre nichts geschehen, entfloh der Bursche und höhnend rief der Polizeisoldat: »Lauf du nur, ich erkenn' dich schon morgen, ich hab' dich gezeichnet. Man wird dir ein Lied singen, das du nicht am Wettibrunnen gefunden hast.«
    Als der grausig Mall in's Dorf zurückkehrte, kam ihm wunderbarerweise, die Arme auf den Rücken übereinandergelegt, der Xaveri entgegen und grüßte ihn zuvorkommend.
    »Ich will dir Morgen groß Dank sagen,« erwiderte der grausig Mall und ging, um sogleich alles Vorgekommene dem Schultheiß zu melden.
    Am andern Morgen war eine seltsame Verhandlung beim Schultheißenamt. Xaveri bekannte offen, daß er bei der Rauferei gewesen, aber er läugnete beharrlich, mit dem grausigen Mall in eine persönliche Berührung gekommen zu sein und staunend sah der Diener der öffentlichen Ordnung ihn an; der Xaveri mußte einen Kopf härter als Stahl und Eisen haben, denn nicht die Spur irgend einer Verletzung war daran zu bemerken und Xaveri war so lustig wie je. Der Schultheiß, ein Vetter Xaveri's, ließ die Verhandlung nach dieser Seite hin gern auf sich beruhen, denn Auflehnung und persönlicher Angriff gegen den Polizeisoldaten hätte, wenn vollkommen erwiesen, nicht die leicht zu verwindende Strafe von ein paar Wochen bürgerlichen Gefängnisses oder eine Geldbuße nach sich geführt, sondern entehrendes Arbeitshaus. Um so ernster nahm dagegen der Schultheiß die Rauferei mit den Deimerstetter Burschen, und hier sah sich Xaveri in einer seltsamen Falle gefangen; er wollte durchaus nicht sagen, was eigentlich der Grund seines Zornesausbruchs gegen des Lenzbauern Philipp war, er bezeichnete ihn im Allgemeinen als Ehrenkränkung, und als der Schultheiß spöttelnd darauf kam und auch die Genossen mittheilten, daß der Unname die eigentliche Veranlassung gewesen sei, und als Einer nach dem Andern, unter großem Gelächter das Wort: »der Viereckig« aussprach, war Xaveri voll Wuth und schrie immer:
    »Das Wort darf nicht in's Protocoll, das darf nicht auf dem Rathhaus eingetragen sein, sonst ist's ja für ewige Zeiten fest; das darf man gar nicht nennen, gar nicht erwähnen, das leid' ich nicht, sonst hat's der ganze Gemeinderath mit mir zu thun.«
    Alle diese Einwände halfen nichts und Xaveri sah zu seinem Schrecken, daß er hervorgerufen, was er auf ewig verstummen machen wollte. Er selbst mußte zuletzt seinen Namen unter ein Protokoll schreiben, worin es deutlich und mehrfach wiederholt hieß, daß er den Schimpfnamen »der Viereckig« habe.
    Als er vom Rathhaus herunter kam, ballte er die Faust und knirschend schaute er das Dorf auf und ab. Freilich hatte er fortan den seltenen Ruhm, einen so harten Kopf zu haben, daß das Gewehr des grausigen Mall daran splitterte, ohne ihn zu verletzen. Eine Zeit lang schien es, daß dieser Ruhm einen so bösen Schimpfnamen überdecke. Die Ueberlegenheit im Raufen brachte ihm viel Lob und Ehre ein. Es ist aber doch ein seltsam Ding um solchen Ruhm! Die Bethätigung ungewöhnlicher Kraft, ein wüstes Raufen kann sich eine Zeit lang als Bedeutung geltend machen, dann aber tritt plötzlich eine Ernüchterung ein; die Menschen besinnen sich, was denn das eigentlich sei, und wenn man nicht immer neue glorreiche Thaten aufbringen kann, erscheinen die verjährten Rechte des Gewalthabers plötzlich in Frage gestellt. Eine Widerspenstigkeit

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