Schwarzwaelder Dorfgeschichten
von Allen gefürchtet. Der Pflugwirth schien auch nichts gegen dieses offene Verhältniß zu haben, er hieß den Xaveri, den Sohn eines vermöglichen Bauern im Dorfe, stets bei sich willkommen und sah es mit Genugthuung, daß der Nachwuchs der jungen Burschen im Dorfe sich seinem Hause zuwendete, während bisher Alles dem Wirthshaus zur Linde treu geblieben war; denn der Pflugwirth war ein Fremder, er war von Deimerstetten oder vielmehr von Straßburg in's Dorf gezogen und war er nun auch schon mehr als achtzehn Jahre ansässig, er war doch noch ein Fremder, denn seine Frau war eine Elsäßerin und er selber ein seltsamer Mann, vor dem man eine geheime Scheu hatte, wenn man seiner nicht bedurfte. Sein ganzes Gebaren hatte etwas Fremdes und Auffallendes; wenn er über die Straße ging, lief er allezeit so behend, als wenn er immer zu eilen hätte. Das ist im Dorfe besonders auffällig, wo man sich zu Allem gern Zeit nimmt. Er mußte es noch von der Stadt her gewöhnt sein, an den Menschen vorüberzugehen, ohne sich um sie zu kümmern; er hielt nirgends Stand, und wenn man ihn grüßte, dankte er kurz und knapp. Der Pflugwirth war vordem Hausknecht im »Rebstöckl« in Straßburg gewesen und bildete sich nicht wenig auf seine Welterfahrenheit und besonders auf sein Französisch ein. Um dieses Letztere selbst nicht zu vergessen und noch einen Vortheil für seine Kinder daraus zu ziehen, sprach er mit seinem einzigen Sohne Jacob, den er
Jacques
nannte, nie anders als französisch und zwar elsässer-französisch. Der Schackle, wie er im Dorfe hieß, war vor den Leuten nur schwer zu bewegen, in der wälschen Sprache zu antworten und bekam deshalb viel Schläge. Im Dorf und in der Schule wurde er deshalb viel geneckt und während die andern Kinder des Pflugwirthes frisch gediehen, war der Schackle ein verbutteter unansehnlicher Knabe. Obgleich er viele Jahre jünger war, hatte Xaveri ihn doch zu sich herangezogen und nur diesem Umstande verdankte er es, daß er in der Schule nicht täglichen Mißhandlungen ausgesetzt war. Seit kurzer Zeit hatte der Pflugwirth aber auch einen tatsächlichen Erfolg von seiner Weltgewandtheit und Sprachkenntniß; er war nicht nur Agent einer französischen Feuerversicherungsgesellschaft, sondern auch, was noch einträglicher war, Agent einer Auswanderungs-Expedition, genannt: »Die Bruderhand.« Nun hatte er oft hin und her zu reisen und sah es gern, daß Xaveri viel in seinem Hause ein- und ausging, denn er half dem sehr unanstelligen Schackle so wie den Töchtern bei dem Feldgeschäfte. Xaveri war weit mehr im Pflugwirthshause als bei seinen Eltern, er war ohne Lohn fast der Knecht des Pflugwirths. Dies gab oft Streit zwischen ihm und dem Vater. Xaveri kehrte sich nicht daran. Seit einigen Wochen aber war er mißlaunisch und zanksüchtig, mehr als je. Von Deimerstetten, dem Geburtsorte des Pflugwirths, kamen sonntäglich die Burschen, und besonders Einer, des Lenzbauern Philipp, warb offenkundig um Lisabeth und diese schien es nicht unwillfährig aufzunehmen. Xaveri schalt mit Lisabeth, ja er klagte es dem Pflugwirth selber; aber dieser beruhigte die »Kinder« mit klugen Worten und Xaveri war wohlgemuth, da auch er sich als Kind des Hauses bezeichnen hörte.
Nun hatte er heute zum Rottweiler Markt seine schwarze Zipfelmütze abthun und sich auch einen breitkrämpigen Hut mit breitem Sammetband und einer hohen Silberschnalle, ganz wie des Lenzbauern Philipp von Deimerstetten, anschaffen wollen; darum war er im Geleit seines Vaters nach Beendigung des Pferdemarktes auf den Krämermarkt geritten und dort beim Wirthshause zur Armbrust hatte er den fürchterlichen Schimpf erfahren und der zuerst den Spottnamen »der Viereckig« gerufen hatte, war gerade des Lenzbauern Philipp von Deimerstetten gewesen und alle Umstehenden, darunter auch Viele aus seinem eigenen Orte, hatten ihn ausgelacht und verhöhnt. Darum raste jetzt der Xaveri in wilder Wuth dahin, er hatte mit dem schönen Hut in's Dorf zurück kehren wollen und jetzt kam er mit dem schändlichen Unnamen, und den hatte ihm sein Nebenbuhler gegeben. Hin und her rasten seine wilden Gedanken. Er haßte den Vater, der mit geholfen, ihn zu beschimpfen und noch dazu gelacht hatte; vor Allem aber schleuderte er seinen bittersten Grimm auf des Lenzbauern Philipp; und wenn er selber darüber zu Grunde ginge, den wollte er krumm und lahm und zu Tode schlagen. Er überlegte nur noch, wie er das in's Werk setze. Der rasche Galopp hatte sein Ende
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