Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
Vom Netzwerk:
hatte von nun an den Namen »grausig Mall,« d.h. so viel als die grausame Katze, denn er war den Nachtbuben äußerst aufsätzig und konnte seine Augen funkeln lassen wie eine Katze. Nun nahmen die Bursche einst Rache an ihm und dazu gebrauchten sie den Xaveri. Es war auf dem Tanz, da wurde der kleine Xaveri von den Burschen vor die Musikanten hingestellt und er rief: »Aufgepaßt! es kommt ein neuer Tanz!« und sang den Musikanten ein Spottlied auf den grausigen Mall vor. Dieser war zugegen und wollte abwehren, aber die Burschen riefen: »Du gehst 'naus! Du hast das Recht erst um elf Uhr da zu sein! Du bist Polizei und nicht Gast!« Sie bildeten einen Knäuel und drückten den grausigen Mall hinaus; der aber rief: »Ich geh' und ich geh' zum Amt!« Nun war Lachen und Johlen und Singen und der Xaveri wurde von Allen auf den Armen herumgetragen. Der grausig Mall hielt Wort und Xaveri stand mit mehreren Burschen vor Gericht. Man wollte wissen, woher er das Lied habe; er blieb dabei, er habe es Morgens beim Tränken am Wettibrunnen gefunden. Er mußte das Lied vor dem Amtmann nochmals singen, der selbst darüber lachte; und da er dabei beharrte, Niemand angeben zu können, wurde er auf vier und zwanzig Stunden eingesperrt. Als man ihn abführte, rief er: »Wer mich einthut, muß mich auch schon wieder austhun!«
    Man kann sich denken, welch eine bewunderte Persönlichkeit Xaveri nach dieser Heldenthat war. Er hatte den giftigen Zorn des grausigen Mall nicht zu fürchten, denn alle Burschen im Dorf waren seine Gönner.
    Unter Allen im Dorf, die das Gemüth Xaveri's verhetzten, stand das Zuckermännle obenan. Es giebt wohl in jedem Dorf einen besondern Menschen, der seine eigne Freude daran hat, allerlei Wirrwarr und Feindseligkeit anzustiften, und zwar ganz ohne Eigennutz, wenn man nicht eben in der Freude an diesen Vorfällen einen Eigennutz sehen will. Das Zuckermännle, ein kleiner schmächtiger Schneider, mit verschmitzten grauen Aeuglein in dem faltenreichen Gesichte, hatte, da es noch viel jünger an Jahren war, die alte Krämerin, die sogenannte Zuckerin, geheirathet; es hoffte, seine Alte bald los zu werden und sich dann ein frisches Weibchen nach seinem Sinne zu holen; aber die alte Zuckerin war zäh und dürr, der Tod schien gar kein Verlangen nach ihr zu haben: sie lebte zu besonderem Leidwesen ihres Mannes noch ein und dreißig Jahre. Sie war erst diesen Frühling gestorben, und das Zuckermännle, das unterdeß alt und grau geworden war, ging auf fröhlichen Freiersfüßen. Bei seinem frühern Hauskreuz war es ihm ein besonderes Labsal gewesen, den Xaveri zu allerlei Schelmenstreichen anzustiften und er suchte dann mit heimlicher Schadenfreude die Beschädigten auf, um Mittel und Wege zu neuen Schelmereien zu entdecken. Seit Xaveri aus der Schule entlassen war, zog er sich von seinem ehemaligen Lehrmeister auffallend zurück; man hatte geglaubt, daß Xaveri, der Schulzucht entbunden, mit neuen losen Streichen sich zeigen werde, aber seltsamer Weise war er arbeitsam und still und man hörte nichts von ihm; ja in der Sonntagsschule war er äußerst aufmerksam und ehrgeizig, und die Leute, die prophezeit hatten, daß aus dem Xaveri noch etwas Besonderes werde, frohlockten ob ihrer Weisheit. Es schien, als ob die gewonnene Freiheit und Selbständigkeit ihn geändert hätte. Mehrere Jahre gingen darauf hin, ehe man den rechten Grund erfuhr, und jetzt wunderte man sich, daß man ihn nicht schon früher bemerkt hatte.
    In diesem Frühling war Xaveri aus der Sonntagsschule entlassen worden; er war achtzehn Jahre alt und verstand, was es heißt, wenn die Blaumeise im Frühling singt: »D'Zit is do! D'Zit is do! D'Zit ist do!« Noch viel wahrer aber lauteten die Worte, die man dem Gesange eines andern Vogels unterlegt, denn nachahmend das Schwirren und Zwitschern heißt es, daß die Lerche singt: »'s ist e König im Schwarzwald, hat siebe Töchter, siebe Töchter: d'Lies ist d'schönst,', d'schönst', d'schönst'!« Mit dem König konnte Niemand anders gemeint seyn, als der Pflugwirth im Dorf; er hatte zwar nicht sieben Töchter, aber doch fünf, und dazu nur einen Sohn, und auf's Wort hin war es nichts als Wahrheit, daß des Pflugwirths Lisabeth landauf und landab das schönste Mädchen war.
    Des Pflugwirths Lisabeth war mit Xaveri zugleich aus der Sonntagsschule entlassen worden und er galt nun für deren öffentlich Erklärten und Keiner im Dorfe wagte ihm dies streitig zu machen, denn von Kindheit an war Xaveri

Weitere Kostenlose Bücher