Schwarzwaelder Dorfgeschichten
Tod seines Vaters. Er nahm Urlaub auf zwei Tage, ordnete mit seinem Bruder Alles und ließ sich bereit finden, gegen eine Summe, die sich nahezu auf tausend Gulden belief, dem Bruder, wie es der Vater bestimmt hatte, das väterliche Erbe zu überlassen. Bald hörte er, daß sein Bruder sich verheirathe und seine einzige Schwester mit dem Vetter von des Lenzbauern Philipp verlobt sei. Das Soldatenleben schien aber Xaveri so zu gefallen, daß er nicht einmal zu den Hochzeiten seiner Geschwister heimkam, und besonders glücklich war er, als die Signalisten zu einer Musikbande geordnet und eingetheilt wurden, die nun bei Ein- und Ausmärschen hellauf blies.
Xaveri hatte seine sechs Jahre ausgedient, ohne die Garnison zu verlassen; er war Willens, als Einsteher einzutreten, da kam gerade um dieselbe Zeit das Gesetz der allgemeinen Wehrpflichtigkeit, welche das Einsteherwesen aufhob, und Xaveri kehrte in's Dorf zurück. Er lebte bei seiner Mutter, die von Trudpert ein mäßiges Leibgeding bezog und in der untern Stube des elterlichen Hauses wohnte. Er konnte sich nicht dazu verstehen, bei seinem Bruder in freiwilligen Dienst zu treten und schien dem Rathe seines Vetters, des Schultheißen zu folgen, der ihn ermahnte, sich nach einem rechten »Anstand,« d.h. nach einer vermöglichen Heirath umzuthun. Unterdessen aber lebte er in den Tag hinein, und wie von selbst war er wiederum die meiste Zeit in dem Hause des Pflugwirths. Der Schackle, der sich zum Feldbau untauglich erwiesen, war auswärts in der Lehre bei einem Kaufmann; aber fast noch schöner als ehemals die Lisabeth, war jetzt die zweite Tochter des Pflugwirths, Agathe, geworden. Freilich war sie nicht so beredtsam, und die Leute sagten sogar, sie sei dumm wie Bohnenstroh: aber Xaveri hatte das nie gefunden, sie wußte auf Alles gehörig Rede und Antwort zu geben, von selbst sprach sie allerdings nicht. Xaveri hatte einmal seinen Kopf darauf gesetzt, eine Tochter des Pflugwirths zu haben; war es Lisabeth nicht, so mußte es Agathe sein.
Mit einem Gemisch von Empfindungen hörte und sah Xaveri, daß das Hauswesen der Lisabeth und des Lenzbauern Philipp in Deimerstetten, die bereits sechs Kinder hatten, in Verfall gerathen war; ja die Rede ging, wenn nicht der Pflugwirth noch einmal nachgeholfen hätte, wären sie bereits ganz zu Falle gekommen. Xaveri war nicht hartherzig genug, um sich darüber zu freuen, aber auch nicht so sanftmüthig, daß er nicht eine gewisse Genugtuung dabei empfand. Die ältere Schwester sollte einst die jüngere beneiden und er meinte, der Pflugwirth habe nicht Unrecht gethan, da er ihm Lisabeth versagte; er war damals noch zu jung und unerfahren, aber jetzt hatte er etwas von der Welt gesehen und konnte es dem Dorfe beweisen. Das waren die Gedanken Xaveri's.
Der Pflugwirth verstand es wiederum, ihn als Knecht ohne Lohn im Hause zu halten und nur zum Essen und Schlafen ging Xaveri zu seiner Mutter. Die Leute schimpften gewaltig darüber und forderten Trudpert auf, das nicht zu dulden: aber dieser konnte sich nicht dazu bringen, scharf gegen seinen Bruder zu sein. Die alte Liebe und Anhänglichkeit aus der Kinderzeit lebte noch in ihm und er hatte deßhalb manchen Streit mit seiner Frau.
Der Pflugwirth betrieb sein Auswanderungsgeschäft noch viel umfänglicher, er hatte sich ein eigenes Gefährte angeschafft und beförderte mit demselben oft ganze Trupps nach Straßburg. Dabei bediente er sich des Xaveri als Kutscher und Postillon, denn durch Renkingen und durch alle Dörfer, die man bis nach Offenburg an die Eisenbahn berührte, blies Xaveri lustig auf seinem Waldhorn, das er in's Dorf mitgebracht hatte. Länger als ein Jahr war Xaveri so der unbelohnte Knecht des Pflugwirths zum Aerger aller Dorfbewohner, die auch die Mutter verhetzen wollten; aber diese war wie Trudpert dem Xaveri mit unerschütterlicher Liebe zugethan. Da starb das Zuckermännle, und kaum war es unter der Erde, als sich ein Schwarm Bewerber bei der vermöglichen und noch immer wohlansehnlichen Wittwe einfand.
Zu großer Belustigung des Dorfes wurde ein Brief des alten, abgestellten Baders von Deimerstetten bekannt, der der Zuckerin schrieb, sie möge sich mit einer Heirath nicht übereilen, seine Frau kränkle immer, und er werde sich glücklich schätzen, sich mit ihr zu verehelichen. Man kann sich denken, wie sehr dieser Brief belustigte, und Manche konnten seine hochtrabend verschmitzten Worte ganz auswendig.
Man konnte recht die Menschen kennen lernen an der
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