Schwarzwaelder Dorfgeschichten
hört man Menschenstimmen – dort vernimmt man nichts. Es ist doch besser auf dem Boden zu bleiben, den schon die Vorfahren bebaut und der Geschlecht auf Geschlecht genährt, und wer weiß, ob du drüben noch lebtest« ... Xaveri richtete sich verschnaufend auf und sah nach dem Kirchhofe. – »Dort liegt dein Vater und dort deine Ahne, von welcher der Spruch herrührt: ich glaube nicht an Amerika.« Zum Erstenmal in seinem Leben empfand er, was es heißt, den Boden zu verlassen, in dem die Gebeine der Angehörigen ruhen; aber dieser Gedanke streifte ihn nur flüchtig und im Weiterarbeiten dachte er: »Auch du wirst einmal dort liegen. Dieses Leben hast du nur Einmal und willst es so in Haß und Hetzerei verbringen? Fang' es frisch an, so lang es noch nicht verloren ist; dein Weib wird schon gut sein, sie muß, wenn sie sieht, daß du gut bist. Wir haben unser reichliches Brod, warum sollen wir denn nicht gut miteinander auskommen? Ich will nicht mehr an Amerika denken. Es muß uns hier gut gehen und wir haben's besser als tausend Andere, und wenn jetzt das alt' Zuckermännle den Löffel erst grad' aus dem Maul gethan hätt', ich thät' damit essen und es schmeckt' mir; das darf nichts mehr gelten. Wenn sie mir nur auch bald Essen bringt« ... Dieser letzte Gedanke war es, bei dem Xaveri am längsten verharren mußte, denn er spürte in sich einen Mahner und auch von außen wurde er daran erinnert. Von den benachbarten Aeckern hörte man gemeinsames Sprechen und oft lautes Lachen. Es war sechs Uhr, man hatte den Schnittern das Essen gebracht und überall, so weit er sehen konnte, wandelten Frauen und Kinder mit Körben und Töpfen. Denkt deine Frau allein nicht an dich und glaubt sie, daß du nicht auch hungrig wirst und schneidest du denn für dich allein? So sprach es in Xaveri, und der im Hunger doppelt leicht gereizte Zorn wollte wieder in ihm aufsteigen und Alles bewältigen; aber noch wurde er seiner Herr und sagte sich, daß seine Frau sich verspätet haben könne, oder daß sie im Kaufladen aufgehalten werde. Er schnitt allein weiter, während Alles um ihn her ruhte und sich gütlich that; das aber nahm er sich vor, es sollte als Zeichen des Friedens gelten, ob seine Frau ihm Essen bringe oder nicht. Sieben Uhr war schon vorüber, ringsumher war Alles wieder neugestärkt an der Arbeit und Xaveri, der immer weiter schnitt, empfand tiefes Mitleid mit sich, daß ihm das Weinen nahe stand; er fühlte sich verlorener hier, als wäre er in der neuen Welt. Oft schaute er aus, aber immer sah er seine Frau noch nicht. Er wollte davonlaufen, aber in einer Art von heldenmütiger Selbstvernichtung wollte er unaufhörlich weiter arbeiten bis er niedersänke vor Ermattung und die Leute dann sahen, wie es ihm ergehe. Endlich, es schlug acht Uhr, da sah er seine Frau den Berg herabkommen, sie hatte weder Korb noch Topf bei sich. Auch das wollte Xaveri verwinden, sie konnte ja wieder umkehren. Als sie aber näher kam und so verwahrlost aussah in der nachlässigsten Kleidung mit der Sichel in der Hand, da konnte er sich nicht enthalten, halb scherzend auszurufen: »Du siehst ja wieder aus wie der Hanfbutz. Guck, es ist kein Vogel weit und breit, es singt keine Lerche wo du bist, du bist halt der Hanfbutz.« Die Zuckerin stand still und lachte höhnisch. Da rief Xaveri abermals: »Hast Nichts zu essen?« »Da wächst ja gutes Brod, iß davon,« erwiderte die Zuckerin, »das ist mein Acker, den Ich zugebracht habe; iß aber nur, so viel du magst, ich schenk' dir's.« »Aber dir ist nichts geschenkt,« schrie Xaveri und hackte da wo er stand, seine Sichel in den Boden und stampfte sie noch mit dem Fuße hinein, dann verließ er das Feld. Die Frau schimpfte und klagte hinter ihm drein, er aber drehte sich nicht mehr um, ging in das Haus, raffte Alles, was er zu eigen besaß, in seine Kiste und eilte damit zu seiner Mutter. Dieser erzählte er Alles, was am Morgen beim Schneiden in ihm vorgegangen und wie er so friedfertig gegen seine Frau gewesen war und sie nur im Scherz geneckt habe. Die Mutter mochte ihm hundertmal erklären, daß das ja die Frau nicht wissen konnte, daß man sich erst wieder necken dürfe, wenn man schon lange Frieden habe; Xaveri mochte wohl etwas davon einsehen, denn er antwortete nichts darauf, er wiederholte nur, daß es bei seinem Schwure bleibe, er habe, als er die Sichel in den Boden getreten, in sich hineingeschworen, nie mehr hier zu Lande eine in die Hand zu nehmen, und dabei bleibe es, keine Gewalt
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