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Schwarzwaelder Dorfgeschichten

Titel: Schwarzwaelder Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berthold Auerbach
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Hausschwelle, bis Leute kamen und sie in ihr Haus brachten. –
    Xaveri war unterdeß, den Hut in die Augen gedrückt, das Dorf hinausgefahren. Draußen, nicht weit vom Kirchhof, schob er den Hut in die Höhe, da erhob sich eine Frauengestalt, die am Wege saß. Xaveri erkannte jetzt seine Mutter, von der er doch schon Abschied genommen; er sprang vom Wagen und die Mutter umfaßte ihn und rief: »Xaveri, sei gut und bleib' da, bleib' bei mir allein, wenn du willst, aber besser, geh' zu deiner Frau! Wenn du auch etwas zu leiden hast, denk', du bist auch viel Schuld! Guck, dort legt man mich bald in den Boden! Kehr' noch einmal um, alle Menschen auf Erden und die Engel im Himmel werden dir's vergelten, was du an deiner Mutter thust; es wird dir gewiß gut gehen!«
    Zum Erstenmal in ihrem Leben sah die Mutter den Xaveri bitterlich weinen und er sprach mit aufgehobenen Händen: »Mutter, da schwör' ich's unter freiem Himmel, ich thät' umkehren, Euch zu Lieb, wenn ich könnte! Ich hätt' mich schon lange umgebracht, wenn Ihr nicht wäret. Ich steh' jetzt da, ich hab' Niemand auf der weiten Welt als Euch! Ich möcht' mein Lebenlang da Stein' schlagen auf der Straß', wenn ich nur bei Euch bleiben könnt'! Mutter, ich sollt' Euch das nicht sagen, es macht Euch das Herz nur noch schwerer! Mutter, ich muß fort, ich muß! B'hüt's Gott! B'hüt's Gott, Mutter!«
    Er sprang auf den Wagen und fuhr rasch davon. Vom Thal herauf hörte man ihn noch lange auf dem Waldhorn blasen; die Leute auf den Feldern, die das hörten, schimpften auf die Hartherzigkeit Xaveri's, die Mutter aber wußte, daß er ihr noch Zeichen geben wollte, so lange sie ihn hörte, sie horchte hinaus, – bis sie nichts mehr vernahm, dann kehrte sie in's Dorf zurück ....
    Die Töne des Waldhorns waren längst verklungen, der Name Xaveri's wurde im Dorf kaum mehr genannt; denn die Menschen können sich nicht damit abgeben, Verschwundenes allezeit in Erinnerung zu behalten, und das hat auch sein Gutes. Nur drei Menschen nannten noch oft den Namen Xaveri's und zwei davon fast nur um gegen ihn loszuziehen: das waren die Zuckerin und Trudpert. Aber daß sie immer wieder von Xaveri sprachen, und zwar nur zu der Mutter und gern zuhörten, wie diese den verlorenen Sohn vertheidigte, darin lag doch wieder ein Beweis, daß sie tief im Herzen nicht von Xaveri lassen konnten. Die Mutter aber sagte stets: »Es kennt meinen Xaveri Keines als ich. Er hat im Grunde das beste Herz von der Welt, nur hat er einen falschen Stolz. Hätte ich's verstanden, oder hätte ihn ein Anderes dazu bringen können, daß er seinen harten Willen auf etwas Gutes stellte, er hätte es ebenso fest ausgeführt als jetzt das Verkehrte. Daß er sich das Amerika in den Kopf gesetzt, das hat ihn verwirrt; es war ja wie wenn's ihm auf die Stirn geschrieben wär', und jetzt ist er unstet und flüchtig und mir sagt's mein Herz, er denkt an uns wie wir an ihn, und wenn Gedanken, die an einem Menschen reißen, ihn ziehen könnten, sie wären stärker als alle Dampfwagen und brächten uns wieder zu einander.«
    Wie gesagt, auch die Zuckerin hörte gern so reden, denn sie schien in sich gegangen zu sein; sie lebte still und arbeitsam und war besonders liebreich und ehrerbietig gegen die Schwiegermutter, bei der sie nicht abließ, bis sie zu ihr in's Haus zog, und Alles, was sie ihr Gutes that, schien ihr ein doppelter Trost, als ob sie es damit auch zugleich dem fernen Verlorenen erweise.
    Man spöttelte Anfangs viel über die Verheirathung der alten Lachenbäuerin mit der Zuckerin, aber die Menschen lassen schließlich auch das Gute ohne Spott gewähren.
    Drei Jahre waren vorüber, man hatte nichts mehr von Xaveri gehört. Da wanderte eines Samstag Abends im Spätsommer ein Mann mit einer Kraxe auf dem Rücken vom Thal herauf; er hob oft rasch den Kopf, dann senkte er ihn wieder zur Erde und schritt mit leisem Murmeln vorwärts. An dem Kirchhof hob er die Kraxe vom Rücken und starrte lang auf eine blaue Kiste, die aufrecht auf die Kraxe gebunden war; wenn auch vielfach zerkritzelt, war dennoch deutlich auf dem Deckel zu lesen: Xaver Boger in Neuyork. Ja, es war Xaveri, der wieder heimkehrte; noch sah er breit und kraftvoll aus, aber seine Wangen waren eingefallen, und als er jetzt, das Kinn auf die Hand gestützt hineinschaute über das Dorf, wo jetzt die Abendglocke läutete und aus allen Fenstern wie tausend und abertausend Lichter das Abendroth wiederglänzte, da zog auch über das Angesicht des

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